Sinno Badredin lebt mit seinem zwölfjährigen Sohn in Wien (Symbolbild).

Foto:APA/dpa/Mohssen Assanimoghaddam

Sinno Badredin macht sich Sorgen. Nicht um sich selbst, sondern vor allem um andere. Er spricht das nicht aus, aber man merkt es daran, wie er spricht. Wenn es um andere und ihre Sorgen geht, werden Badredins Sätze kürzer. Manchmal spricht er sie gar nicht zu Ende, sondern springt direkt zum nächsten Punkt, der ihm zu schaffen macht.

Wenn er etwa von seinem zwölfjährigen Sohn spricht, werden die Sorgen greifbar. Der 39-Jährige erzieht sein Kind seit zehn Jahren allein, seine Mutter sieht der Sohn unregelmäßig und nur etwa einmal im Monat. Während Corona ist Badredin seinem Kind nicht nur Vater, sondern auch Lehrer.

Badredin sorgt sich aber nicht nur um seine Familie. Er ist Administrator einer Facebook-Gruppe für Alleinerziehende. Im Gespräch sagt er, dass Corona Probleme verstärkt hat. Er erzählt von Mitgliedern, deren Geld schon vor Ende des Monats knapp ist. Von anderen, die sich schämen, um Beihilfen anzusuchen. Mehrmals wiederholt er dabei: "Es ist ganz schlimm gerade."

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"Was wird aus meinem Kind: Die Frage beschäftigt mich rund um die Uhr. Wegen Corona-Maßnahmen geht er gerade nicht zur Schule. Als Alleinerziehender erfülle ich deshalb jetzt ständig beide Rollen: Vater und Lehrer. Nebenbei muss ich aber auch schauen, dass sonst alles in unserem Leben rundläuft. Die Zeit jetzt ist auch eine finanzielle Herausforderung.

Gerade ist unser ganzer Tagesablauf auf das Online-Learning ausgerichtet. Je nachdem, wann Unterrichtseinheiten beginnen, stehen wir auf. Meistens vor acht. Dieser Unterricht dauert bei uns aber nur eine Stunde, manchmal zwei. Danach macht mein Sohn Schulübungen und Hausaufgaben. Als Vater zu unterrichten ändert die Situation auch. Lehrer gehen irgendwann nach Hause, unabhängig davon, ob alle Schüler die Themen verstanden haben. Für mich ist es aber wichtig, dass mein Sohn den Unterricht versteht. Dadurch dauert das Lernen oft länger. Wir sind manchmal den ganzen Tag mit Aufgaben beschäftigt.

Gruppe für Alleinerziehende

Das drückt alles aufs Gemüt. Die psychische Belastung ist gerade sehr groß. Normalerweise ist meine Arbeit eine Entlastung. Weil es ein Ausgleich ist. Das fällt durch Corona jetzt aber weg. Das heißt, Familien- und Arbeitsleben vermischt sich komplett. Ich bin in dieser Struktur während des Lockdowns gefangen.

Mein Sohn geht normalerweise gegen 22 Uhr schlafen. Ich nehme mir dann noch etwas Zeit für mich und bin dann meistens zwischen 1 und 2 Uhr im Bett. Manchmal habe ich schlaflose Nächte, weil ich glaube, mein Sohn hat etwas von seinen Schulaufgaben immer noch nicht verstanden.

Ich habe auf Facebook eine Gruppe für Alleinerziehende gegründet. Da tauschen sich Leute aus. Und man merkt, dass durch Corona die Sorgen noch einmal extrem groß geworden sind. Da haben einige am Ende des Monats kein Geld für Essen. Das geht dann so weit, dass sie mit ihren Kindern hungrig schlafen gehen. Die Menschen fragen jetzt oft nach Beihilfen, Zuschüssen. Einige erkundigen sich immer wieder, ob die Familienbeihilfe bei anderen schon angekommen ist, weil sie dieses Geld so dringend brauchen. Für ein Land wie Österreich ist das wirklich schlimm.

"Es ist ganz schlimm gerade"

Alleinerziehende hatten es vor Corona schon schwer. Da wurde von der Politik zu wenig unternommen. Ich wünsche mir, dass Gesetze für Alleinerziehende erlassen werden. Beim Unterhalt braucht es etwa neue Regelungen. Da wird ein Elternteil geschützt – und der andere muss alles auffangen. Das betrifft mich auch: Ich bekomme monatlich 50 Euro Kindesunterhalt. Damit könnte ich nicht mal den Hort bezahlen. Ich wünsche mir einen Mindestunterhalt von 150 Euro. Das ist keine Zumutung für ein Elternteil. Ein Kind ist schließlich eine Verantwortung. Und dieses Geld wäre eine Riesenentlastung.

Auch die Bürokratisierung muss abnehmen. Für Alleinerziehende hat der Tag nicht genug Stunden. Jedem fehlt die Zeit, sich für Zuschüsse oder Förderungen stundenlang anzustellen. Gleichzeitig ist die Scham bei vielen groß, um Hilfen zu bitten. Es ist ganz schlimm gerade.

Generell würde ich mir von Politikern wünschen, dass sie sich besinnen, weniger streiten und einmal geschlossen Lösungen bringen. Meine größte Angst gerade ist, dass am Ende nur der Einzelne übrigbleibt." (Ana Grujić, 17.12.2020)