Die positive Nachricht: Gewalt nimmt von Generation zu Generation ab.

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31 Jahre ist es her, dass Gewalt in der Erziehung in Österreich gesetzlich verboten wurde. Dennoch meint einer Befragung zufolge nur etwas mehr als die Hälfte der Österreicher (56 Prozent) mit Bestimmtheit, dass eine gewaltfreie Erziehung die "ideale Erziehungsform" sei. Weitere 22 Prozent stimmen dieser Aussage abgeschwächt zu (mit der Note 2 auf einer Skala von 1 bis 5).

21 Prozent können sich keine Erziehung ohne zumindest leichte körperliche Bestrafung vorstellen, weitere 18 Prozent stimmen der Aussage zu, dass man manchmal auch "drastische Mittel" einsetzen müsse.

Regelmäßige Befragung

Das ergibt eine für die österreichischen Bevölkerung über 14 Jahren repräsentative Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Gallup im Auftrag des Kinderschutzzentrums Möwe. Die Befragung wurde bereits zum vierten Mal durchgeführt, heuer wurde auch die Situation in der Corona-Pandemie beleuchtet. Hedwig Wölfl, Geschäftsführerin der Möwe, spricht von einem "erschreckenden Ergebnis, das zeigt, dass Aufklärungsarbeit notwendig ist wie eh und je".

Psychische Gewalt wird etwas weniger oft als solche erkannt: Während 89 Prozent "eine Tracht Prügel" und 82 Prozent eine Ohrfeige als Gewalt werten, tun dies 68 Prozent etwa bei Drohungen, dass man das Kind nicht mehr lieb haben werde. 72 Prozent erkennen Gewalt, wenn ein Kind stundenlang im Zimmer eingesperrt wird, 71 Prozent, wenn Eltern zur Strafe tagelang nicht mehr mit dem Kind sprechen.

Risiko während Pandemie

Was das Risiko von Gewalterfahrungen während der Corona-Pandemie betrifft, gehen zwei Drittel von einem höheren Ausmaß häuslicher Gewalt aus, rund ein Drittel rechnet mit einer Zunahme bei sexueller Gewalt sowie bei Vernachlässigung. Konkret gehört hat ein Fünftel der Befragten von Gewalt gegen Kinder, fünf Prozent haben Gewalt beobachtet und drei Prozent selber erlebt. "Die Situation von gewaltbetroffenen Kindern ist durch soziale Isolation besonders aussichtslos, denn sie brauchen erwachsene Bezugspersonen, denen sie sich anvertrauen können", sagt Wölfl. Gebe es außer der Familie keine Kontaktmöglichkeiten, etwa mit Pädagoginnen oder Freunden, seien die Möglichkeiten, sich Hilfe zu holen, gering.

Oft führen überdurchschnittliche Belastungen der Eltern zu angespannten Situationen zu Hause. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass 44 Prozent die Sorge äußern, dass es nie mehr so werde wie vor der Pandemie. 41 Prozent haben Angst vor einer Ansteckung mit dem Virus, 36 Prozent fühlen sich hilflos. 35 Prozent klagen über Einsamkeit, 33 Prozent sorgen sich vor Jobverlust oder sind von beruflichen Belastungen betroffen, dies betrifft vor allem Personen zwischen 30 und 49 Jahren. 30 Prozent haben konkrete finanzielle Sorgen.

Gewalt nimmt ab

Die positive Nachricht: Gewalt nimmt von Generation zu Generation ab. Je jünger die Befragten sind, desto weniger war Gewalt in der Kindheit Thema. Und: Immer mehr Menschen wissen, was in heiklen Situationen zu tun ist. 51 Prozent verständigten in einem konkret aufgetretenen Verdachtsfall das Jugendamt – bei der Befragung im Jahr 2016 gaben das noch 39 Prozent an. 43 Prozent informierten die Polizei (2016 noch 24 Prozent). "Das macht uns Mut", sagt Wölfl zu diesen Ergebnissen. (Vanessa Gaigg, 16.12.2020)