Vorn schmoren die Callos a la madrileña, dahinter grillt Küchenchefin Raquel Garcia Sanchez Jakobsmuscheln und Blunze.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Patrick Troger kommt aus Innsbruck. Okay, das liegt urweit im Westen – bis zur spanischen Grenze ist es aber auch von dort noch ein ziemlicher Hatscher. Insofern war es doch bemerkenswert, dass ausgerechnet ein Tiroler Wien jene Tapas-Bar schenkte, die nicht nur eine ausschließlich iberische Küchencrew (unter der Leitung der Madrilenin Raquel Garcia Sanchez) in Diensten hat, sondern auch die wirklich speziellen Sachen von der Halbinsel holt.

So ist Troger Exklusivimporteur von gleich drei Schinkenhäusern, er holt aus allen großen Appellationen, aus Jabugo, Salamanca und der Extremadura, Jamón der Top-Kategorie "Etiqueta Negra" nach Wien: ausschließlich von den autochthonen, halbwild lebenden Schwarzfußschweinen, ausschließlich aus Eichelmast (für das unerreicht nussige Aroma) und ausschließlich nach 36 Monaten Reifezeit. Dass diese spanischen Schinken das Göttlichste sind, was sich aus Schweinen machen lässt, hat sich ja herumgesprochen. Dass Troger auch zwei Cortadores in Diensten hat, wie die professionellen Schinken-vom-Bein-Säbler auf der Halbinsel heißen, wissen aber nur die wenigsten.

Fisch und Meeresfrüchte

Wobei: In Trogers derzeit geschlossener Innenstadt-Dependance in der Wallnerstraße ist eigentlich immer solch ein Hohepriester des Schweins an einem der drei eingespannten Beine zugange. Wer das Glück hat, immer wieder einmal in der spanischen Botschaft eingeladen zu sein, wird die stolzen Herren und die Eleganz, mit der sie die hauchfeinen Messer durch Fleisch und Fett zu streichen wissen, auch schon erlebt haben. Der Herr Botschafter leiht sich seine Landsleute dem Vernehmen nach aus.

Fisch und Meeresfrüchte lässt Troger regelmäßig von der Atlantikküste einfliegen, etwa die unerreicht fleischigen, berühmt jodfrischen (und auch roh zu genießenden) galizischen Miesmuscheln, rote Carabiñeros aus Wildfang, Seehecht aus der Bizkaia und sogar die mythischen Entenmuscheln "Percebes" (eigentlich eine Krebsart). Die Auswahl an Weinen, Finos und Manzanillas ist auch bemerkenswert – allein, es wird noch dauern, bis wir uns an all dem wieder erfreuen können.

Handgeschnittener Schinken, Gimbap vom Ibérico-Schwein, gegrillter Oktopus und noch vieles Köstliches mehr ist im Zustellservice erhältlich.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Moment: Den von Hand geschnittenen Schinken bietet Troger ebenso wie die gesamte Speisekarte auch zum Mitnehmen an, zusätzlich noch die eine oder andere Köstlichkeit im Glas. Seit vergangener Woche wird auch zugestellt, per Taxi gegen einen Fixpreis von 4,90 Euro. Die exorbitanten Margen der Profizusteller (bis zu 30 Prozent vom Preis jedes Gerichts!) würden, so Troger, Einschnitte bei der Qualität unvermeidbar machen.

El Wabbel

Die ganz noblen Meeresfrüchte gibt es derzeit nicht, die würden im Take-out-Modus zu arg leiden. Aber das Fernweh lässt sich auch so stillen, noch dazu wo die Köchin hie und da ihrer Lust an asiatisch inspirierten Gerichten nachgeben darf. Mit Gimbap vom Ibérico-Schwein etwa, der koreanischen Maki-Rolle mit eingelegtem Gemüse: fantastische Reisqualität, knackiges Gemüse, kraftvolles Fleisch, bemerkenswert köstlich.

Oktopus wird erst gesotten, dann gegrillt und ist auch nach kurzer Autofahrt noch außen knusprig, innen samtig, in Kombination mit Chimichurri, der Salsa aus Weinessig, Kräutern und Schalotten, richtig gut. Wer Kutteln mag, darf das Glas mit den Callos a la madrileña nicht übersehen: seidig wabbelige, wunderbar dick geschnittene Flecken mit fein papriziertem, geradezu cremigem Aroma – die hohe Schule des Frottees. Manches, wie die Croquetas de Jamón oder die mit Gambas und Ibérico-Schwein gefüllten Wantan, ist aber wie gemacht dafür, einem die Fahrt zurück zu versüßen: So heiß und knusprig wie jetzt sind sie daheim nämlich nie mehr. (Severin Corti, 16.12.2020)

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