Andreas Gabalier zu Hause. Der Musiker wohnt nicht so rustikal, wie man es vielleicht erwarten würde. Nach dem Interview gab es noch eine zünftige Jause für die Besucher.

Foto: Christian Fischer

Das Wohnzimmer überrascht. An einer Wand hängt ein Bild der vergoldeten Shirley Eaton. Das ist die von Bösewicht Goldfinger zu Tode gebrachte Schöne aus dem gleichnamigen James-Bond-Film. In der Fernsehecke schräg gegenüber hängt eines von Sean Connery als 007, und sogar das Fenster zum Garten zitiert die Bond-Signation. Doch kein Spion wohnt hier, es ist das Heim des Andreas Gabalier, des Volks-Rock-’n’-Rollers.

Zwar hat es viel Holz in der Hütte, aber nirgendwo ein Geweih, keinen Herrgottswinkel, keine Kuckucksuhr. Stattdessen steht eine alte Jukebox als Blickfang im Raum und schaut lässig aus. Die Sixties und Seventies verschränken sich hier nach Entwürfen, die der Besitzer am Reißbrett selbst anfertigte – eine geheime Leidenschaft.

Der 36-Jährige ist der zurzeit erfolgreichste österreichische Musiker. Mit einer Mischform aus volkstümlicher Musik, Schlager und Rock füllt er Stadien, darunter war viermal das Münchner Olympia-Stadion mit je 70.000 Besuchern.

Ein väterlicher Freund

Eine Luftaufnahme eines dieser Konzerte lehnt an der Wand: ein glühendes Stadion im Dunkel der bayrischen Nacht. Irgendwo da drinnen im Licht stand er. Wenn Gabalier über Erfolg und dessen Anerkennung spricht, die ihm oft zu gering ausfällt, schaut er auf dieses Bild. So, als könne er es manchmal selbst noch nicht ganz glauben.

Daneben sitzt Klaus Bartelmuss. Der steirische Industrielle ist Gabaliers Entdecker, Manager und sein väterlicher Freund. Die beiden sind eng miteinander verbunden, das spürt man. Oft reicht ein Blick zum Verständnis.

Die Stimmung ist entspannt, Gabalier ein herzlicher Gastgeber – gleichzeitig eine umstrittene Figur: Sympathien für rechtes Gedankengut werden ihm vorgehalten, Frauen- und Schwulenfeindlichkeit, ein reaktionäres Weltbild.

Vom STANDARD fühlt er sich chronisch missverstanden. Immer würde das Negative, nie das Positive berichtet. Nach Jahren abschlägig behandelter Interviewanfragen empfing Gabalier uns endlich doch – bei sich zu Hause in Graz. Ein kleines Weihnachtswunder.

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STANDARD: Sie spielen auf Ihrem aktuellen Weihnachtsalbum das Lied Last Christmas des Duos Wham!, Teil davon war der homosexuelle George Michael. Darf man das versöhnlich interpretieren?

Gabalier: Ich sehe es nicht als Versöhnung, weil ich damit nie ein Problem gehabt habe.

STANDARD: Ihren Manderl-Weiberl-Sager bei der Amadeus-Verleihung 2015 haben viele anders interpretiert.

Gabalier: Es gibt Dinge, die in der Vergangenheit zu scharf formuliert worden sind, ja. Aber wenn man viele Jahre immer blöd angeredet wird – "Bei welchem Diktator trittst du als Nächstes auf?" –, dann ist das wie bei einem Hund: Wenn du den dauernd haust, beißt er halt auch einmal. Ich war sauer. Trotzdem würde ich das heute anders formulieren. Solche Dinge hängen einem ewig nach, dabei wollte ich auf keinen Fall irgendwelche Minderheiten beleidigen.

STANDARD: Warum besteht jemand wie Sie, mit Ihrem Erfolg, überhaupt so auf die eher unbedeutende Zuerkennung eines Amadeus?

Gabalier: Ich habe damals eh gesagt, das war das letzte Mal, dass wir da hingehen. Aber wir waren ja oft fünffach nominiert, doch eine Verleihung, auf Fakten und Zahlen basierend, gab es nie. Da musste man schon eine politisch korrekte Aushängefigur wählen – ohne den Erfolg vom Tom Neuwirth jetzt schmälern zu wollen.

STANDARD: Haben Sie je ein Medientraining gemacht?

Gabalier: Wie man anhand der Vergangenheit merkt, nein.

STANDARD: Warum nicht?

Gabalier: Wir haben ja total unbedarft begonnen. Niemand dachte daran, dass das einmal solche Ausmaße annehmen würde. Man hat einfach im Laufe der Jahre gelernt, damit umzugehen. Das war eine Erfahrung, die ich erst machen musste. Es war ja nie angedacht, in dem Ausmaß Musik zu machen.

STANDARD: Für wen spielen Sie Ihre Musik?

Gabalier: Ich mach Musik für Leute, die eine Freude damit haben. Das ist nicht nur Musik, zu der man am Abend hingeht und dann wieder heim. Sondern Megaevents, wo die Leute mehrere Tage anreisen, in den Regionen den Tourismus bereichern, die Trachtenindustrie ankurbeln und so ein gewachsenes Lebensgefühl miteinander teilen.

STANDARD: Es gibt wenige Musiker, die es als ihre Aufgabe ansehen, die Trachtenindustrie anzukurbeln ...

Gabalier: ... stimmt, das hat sich im Laufe der Jahre so ergeben. Ich bin in Lederhosen auf der Bühne gestanden, und irgendwann haben sich die Leute so verbunden gefühlt, dass sie sich auch so anziehen. Bei uns ist das ja noch gang und gäbe, dass man eine Tracht im Schrank hat und es im Jahr ein paar Anlässe gibt, wo man sie ausführt. Aber je weiter wir da ins Ausland kommen, desto weniger selbstverständlich ist das – und umso schöner. Aber da heißt es ja dann schon wieder, ich steck die Leute in ein G’wanderl, das gar keine richtige Tracht ist, sondern eine Verschandelung. Das stammt meist aus der Ecke, die mit Tradition aber eh nichts anfangen kann, aber das Dirndl darf nicht modisch sein, das muss schon aus Aussee kommen. Das sind so viele Widersprüche.

STANDARD: Wie sehr vermissen Sie das Livespielen?

Gabalier: Das ist letztendlich die Belohnung als Musiker, die man erntet, nach monatelangen Arbeitsphasen. Für mich ist es das Schönste, wenn man dann dort stehen darf, das vermisst man natürlich sehr.

STANDARD: Wie ist das hinter der Bühne, wenn Sie wissen, in ein paar Minuten stehe ich vor 50.000 Menschen. Geht Ihnen da der Reis?

Gabalier: Wenn du da rausgehst, ist das schwer zu beschreiben. In den ersten Jahren hatte ich das Gefühl, den Boden nicht mehr zu spüren.

STANDARD: Will man da dann nicht gleich wieder umdrehen?

Gabalier: Nein, das will man auch nicht. Da singt oft schon das ganze Stadion, und du bist noch gar nicht draußen, das ist schon schön.

Andreas Gabalier vor einem Gemälde der vergoldeten Shirley Eaton – einem Opfer des Bösewichts Goldfinger aus dem gleichnamigen James-Bond-Film.
Foto: Christian Fischer

STANDARD: Was war das Peinlichste, das Ihnen je passiert ist?

Gabalier: Hm – da gibt es so viel. Im ersten Jahr im Olympia Stadion in München, da bin ich rausgegangen und wir hatten einen Kabelbrand. Ich war am Laufsteg und hab I sing a Lied für di gesungen, in voller Rage. Ich hab die In-Ear-Kopfhörer drinnen gehabt. Normalerweise geht es da voll rund, und irgendwann schau ich runter ins Publikum und sehe nur verwunderte Gesichter. Dann dreh ich mich um, und die Band spielt auch nicht mehr – ich bin da sicher eine Minute draußen gestanden, das war ein Gelächter, leck Orsch.

STANDARD: Sie haben Ihr neues Album wieder teilweise in Nashville aufgenommen. Das ist für volkstümliche Musik keine naheliegende Adresse. Wie kam's dazu?

Gabalier: Das ist eine Grundeinstellung von Anfang an diese doch traditionelle Musik in der Mundart a bisserl internationaler zu gestalten. Und ich glaube, dass das ein maßgeblicher Punkt war oder ist, der uns von vielen in der Volksmusik oder im Austropop unterscheidet. Das ist sicher durch den Klaus entstanden, der als internationaler Firmeninhaber da immer größer gedacht hat, als es der aktuelle Horizont vielleicht zugelassen hätte. Und deshalb haben wir gesagt, auch wenn's in Lederhosen und Mundart ist, machen wir es mit internationaler Attitude, wie es ein Kid Rock machen würde. Oder eine Taylor Swift. Wir sind 2014 mit dem Album Home Sweet Home erstmals in eines dieser begehrten Studios hineingekommen und haben dort eine große Wertschätzung erfahren.

STANDARD: Nashville gilt als Epizentrum der Country Music. Haben Sie einen Bezug zu Country?

Gabalier: Ja, viel. Ich habe viele Schallplatten und Kassetten, die heute noch zum Einsatz kommen auf der alten Anlage meines Vaters. Das leg ich gerne auf: CCR, Tom Jones, viel Swing, Shirley Bassey, Elvis … das hat mich geprägt neben der Musik, die in den 1990ern hip war.

STANDARD: Sie kennen mit Arnold Schwarzenegger einen berühmten Exilsteirer, dem es hierzulande zu eng wurde. Was gefällt Ihnen an Amerika?

Gabalier: Ich habe mit dem Arnold viel über Anfeindungen und Vorurteile in Bezug auf Erfolg gesprochen. Und das war damals für ihn auch ein Punkt einen größeren Traum zu haben als im vom Denken her schon oft sehr kleinkarierten Österreich. Die Amerikaner können Erfolg schätzen: Wir sind dort hingekommen, die mussten sich gar nicht vorbereiten: Die waren so auf Zack, dass das mit einmal Vorspielen erledigt war. Aber sie haben im Vorfeld recherchiert und haben sich Youtube-Videos von meinen Konzerten angeschaut und sich dafür interessiert: Schau was sich da abspielt, wir kennen das gar nicht! Das hat mir total gefallen, dass es da so eine Wertschätzung und Anerkennung gab.

STANDARD: Die sprichwörtliche Begeisterungsfähigkeit der Amerikaner …

Gabalier: … die legt man den Amis oft als Naivität aus, aber ich hab das immer sehr schön empfunden. Egal ob du einen Burger essen gehst oder ein T-Shirt kaufst: Sie sind höflich, haben ein nettes Wort für dich. Es gab da keine Vorurteile, es wurde nichts infrage gestellt wie bei uns: Muss das sein, ich brauch des net, dann soll's keiner brauchen. Diese Freundlichkeit finde ich hundert Mal schöner als ein z’wideres G’schau. Dabei leben viele Amerikaner bei Weitem nicht auf dem Standard, auf dem wir in Österreich leben.

STANDARD: Apropos Lebensstandard: Nicht alle haben so ein großes Publikum wie Sie. Unterstützt die Regierung die Kultur in der Corona-Krise ausreichend?

Gabalier: Man sollte nicht vergessen, dass Kultur das Leben geistig und moralisch massiv bereichert. Und dass man diesem Thema mehr Aufmerksamkeit geben könnte, was Förderungen und Unterstützungen angeht. Es ist ja ohne Corona schon schwer. Man streamt alles und bezahlt fast nichts. Das hat in den letzten 20 Jahren massiv zugenommen. Ich sag immer: Man geht ja auch nicht am Ersten des Monats ins Wirtshaus, zahlt ein Bier und geht dann die restlichen 30 Tage hinein und isst und trinkt bis zum Abwinken. Mir geht es Gott sei Dank sehr gut. Es hat elf Jahre lang ganz großartig funktioniert, und mit dem neuen Album liegen wir jetzt auch weit über den Erwartungen. Hätte auch schiefgehen können: Was singt der jetzt auf Englisch? Stattdessen matchen wir uns seit drei Wochen mit AC/DC um den ersten Platz.

STANDARD: Um Weihnachten herum entdecken viele ihr karitatives Gewissen. Sie auch?

Gabalier: Ich gebe seit Jahren sehr viel, nicht nur zu Weihnachten. Ich lebe nach Arnold Schwarzeneggers "Six Rules for Success". Die letzte Regel sagt: "Give something back." Wir haben schon lange eine Behindertenwerkstätte in Scheifling ins Leben gerufen, da stellen körperlich und geistig Beeinträchtigte aus dem Bezirk Fanartikel her. Ich komme ja selbst aus extrem bescheidenen Verhältnissen. Ich weiß, was finanzielle Sorgen sind, drum versuche ich, in meinem Umfeld zu helfen. Das ist ein Punkt, der aber traurigerweise fast nie erwähnt wird, das passt halt nicht zum bösen Gabalier. Kritik ist eh okay, es wäre nur schön, wenn man parallel auf ein paar schöne und positive Seiten auch aufmerksam machen würde.

STANDARD: Es wirkt aber nicht so, als könnten Sie mit Kritik gut umgehen.

Gabalier: Ich bin so groß geworden, dass wir auf einem gesunden Niveau diskutiert haben. Da war man oft nicht einer Meinung, man hat drüber geredet, aber mit einem gesunden Umgangston. Und den versuche ich vorzuleben. Das war auch für mich eine Erfahrung mit dem Erfolg, wo es viele Vorwürfe gegeben hat, wo ich erst lernen habe müssen, damit umzugehen, und auch einmal annehmen habe müssen, dass das andere Leute anders ausüben. Mit größerer Intoleranz dem Projekt oder meiner Person gegenüber. Es tickt halt nicht jeder gleich, deshalb hab ich mir das nie so zu Herzen genommen. Es gibt unterschiedliche Sichtweisen: Der eine bringt sie liberaler zum Ausdruck, der andere muss ein bisschen mehr drauf einwettern und das kundtun.

STANDARD: Aber wenn Sie sich missverstanden fühlten, hätten Sie ja die Möglichkeiten gehabt, etwas richtigzustellen.

Gabalier: Das ist ja passiert, hundert Mal! Hat aber niemanden interessiert, da hieß es schon: Der ist ein Schwulenhasser. Genauso wie nach der Bundeshymne, da ist es rundgegangen. Ich hab die einfach so gesungen, weil ich mir gedacht habe, das ist unsere Hymne, vor drei Jahren haben das noch alle so gesungen und jetzt ist es der größte Fauxpas, wenn man es noch immer so macht. Ich würde auch nicht wollen, dass ein Lied von mir abgeändert wird. Schreibts doch was Neues – das war mein Gedanke. Ich hätte nie gedacht, dass daraus so eine Bombe wird. Was ich mir dann anhören musste: Frauenfeindlichkeit! Da gab es überhaupt keine Bereitschaft der Medien, das Gespräch zu suchen, die haben einfach ihre Schlagzeilen daraus gemacht.

Gabalier mit Jukebox. Darin befindet sich eine Single von Heino. Die war schon drinnen, als er sie bekommen hat.
Foto: Christian Fischer

STANDARD: Warum haben Sie nicht das Gespräch gesucht und sich erklärt?

Gabalier: Ich weiß nicht mehr, wie oft ich mich gerechtfertigt habe. Das ist ein Prozess des Erwachsenwerdens in der Öffentlichkeit. Nach dem Tod meiner kleinen Schwester habe ich mein Hobby Musik zu meiner Beschäftigung gemacht, und das ist blöderweise gut angekommen. Ich wollte ja nie Künstler werden. Ich hab Jus studiert, aber nach dem Tod meiner Schwester keinen Kopf dafür gehabt. Deshalb hab ich Musik gemacht: Aus einem Schmerz heraus, der daheim entstanden ist. Und dann habe ich das unglaubliche Glück gehabt, mit dem Klaus den richtigen Partner zu finden und einen positiven, schönen Aufschwung erlebt, der aber von Anfang an von einer gewissen kleinen Journalistenecke infrage gestellt worden ist.

STANDARD: Dann kam das Plattencover mit der Hakenkreuzstellung.

Gabalier: Ja, um Gottes willen! Wie kommt man denn auf so einen Stuss? Ich fühle mich beleidigt, wenn mir allen Ernstes irgendjemand unterstellt, dass ich mit Nazis sympathisiere. Jedes Fluchtwegmanderl schaut so ähnlich aus, jedes dritte Bryan-Adams-Cover zeigt ihn in so einer Pose. Das Cover ging durch die größte Plattenfirma der Welt bei der Abnahme, die Fotografen, wir, niemand hat an so etwas gedacht. Und nachdem das Album zwei Jahre lang schon auf dem Markt war, musst du dich plötzlich für etwas rechtfertigen, an das du nie gedacht hast.

STANDARD: Warum haben Sie dann zugelassen, dass Sie auch noch von Strache und der FPÖ so vereinnahmt wurden?

Gabalier: Das stimmt überhaupt nicht. Ich weiß nicht, wie oft ich mich distanziert habe. Da steht bei einer Veranstaltung plötzlich der H.-C. daneben und dann macht wer ein Foto. Dass ich beim selben Event mit dem Bundespräsidenten Fischer ein Schnitzel gegessen habe, der viermal gesagt hat: "Großartige Erfolgsgeschichte", das stand nirgends. Mein Gefühl war: Dieses Bild will man vom Gabalier zeigen und kein anderes. Von meiner Großmutter kenn ich die abscheulichsten Geschichten aus der Nazizeit. Wie die Oma oft erzählt hat, dass der Opa in der Nacht wegen dem Wahnsinn aufgewacht ist. Uns ist nahegebracht worden, dass es das Schlimmste ist, was uns die Geschichte je beschert hat.

STANDARD: Gibt es politische Gruppierungen, denen Sie den Gebrauch Ihrer Musik untersagen würdest?

Gabalier: Allen. Es gibt auch einen Anwaltsbrief, der das allen Parteien mitgeteilt hat. Das ist meine Musik, und ich möchte nicht, dass die jemand vereinnahmt, um damit was Politisches zu machen. Meine Fans kommen aus allen möglichen politischen Kreisen. Es gibt auch genug Leute aus meiner alten Nachbarschaft, die ganz weit links sind und öko. Die sagen: "Andi, wir wissen, wie du bist, und dafür mögen wir dich, aber wenn wir manche Sachen über dich lesen, ist es für uns nicht immer leicht." Das tut mir dann weh, weil es da aufgrund von Vorurteilen und Schlagzeilen eine ablehnende Haltung gibt. Und das ist nicht von mir provoziert worden, nicht absichtlich.

STANDARD: Gibt es einen Unterschied zwischen der Privatperson Gabalier und der öffentlichen Figur?

Gabalier: Das Schöne ist, dass ich mich für die Öffentlichkeit nie verstellen musste. Wir sind zwischen Stadt- und Landleben groß geworden. Meine Eltern waren die Einzigen, die aus der Verwandtschaft in Graz studiert haben. Wir waren an den Wochenenden und in den Ferien immer viel am Land. So haben wir von beiden Seiten das Schönste mitbekommen.

STANDARD: Bei Ihren Konzerte sprechen Sie oft von den "Normalen" – wer oder was ist denn Ihrer Meinung nach normal?

Gabalier: Das ist einfach ein gutes Benehmen, ein bisschen ein Fleiß. Ein Antrieb im Leben, ein Miteinander. Meinungen zuzulassen, auch wenn sie dir nicht gefallen. Und nicht auf alles einwettern, was der eigenen Weltanschauung nicht gefällt. Aber ich weiß, normal darf man nicht sagen.

STANDARD: Es klingt halt so, als würden andere abnormal sein.

Gabalier: Ich empfinde es als normal, wenn, wie es bei meinen Konzerten oft der Fall ist, man ein miteinander erlebt, emotionale Momente. Wo nix passiert. Wir hatten nicht eine Schlägerei in zehn Jahren. Keine Verletzung, keine Anzeigen. Das Gefährlichste ist der Einlass, wenn die Damen in die erste Reihe stürmen, da hat es schon ein paar aufg'haut. Für andere ist es normal, dass sie am Abend zuhause ihr Pfeiferl rauchen. Normal find ich nicht, wenn man ein Millionenpublikum, das eine Freude hat mit dem, was ich mache, als Menschen zweiter Klasse hinstellt. Ich bin auch kein Hip-Hop-Fan, aber ich zieh das deshalb nicht durch den Dreck. Ich schau es mir halt nicht an. Das würde die Leute nur noch mehr gegeneinander aufhussen, die Gesellschaft ist eh gespalten genug.

STANDARD: Bei Ihren Auftritten sprechen Sie von sich oft in der dritten Person und in Superlativen. Wie passt das mit dem Image des einfachen Steirerbuam zusammen?

Gabalier: Weiß ich ehrlich gesagt nicht. Das nehme ich als Kritik gerne an. Vielleicht ist das eine Art Schutzmantel. Ich sag auch oft "man" statt "ich" – weiß auch nicht, warum.

STANDARD: Können Sie drei Frauen nennen, die Sie bewundern?

Gabalier: Ich habe die deutsche Moderatorin Barbara Schöneberger immer sehr bewundert. Die ist eine ganz gestandene Persönlichkeit und emanzipiert und bringt das mit lässigem Schmäh zusammen. Dann die Tina Turner: Die steht für unermüdlichen Willen und war für mich immer ein Vorbild für das Livegeschehen. Und meine liebe Mama – eine unfassbar starke Frau, die zwischen Haushalt und dem Berufsleben in der Schule, den finanziellen Sorgen und vier Kindern den Laden geschaukelt hat. Sie musste schwere Rückschläge ertragen, steht aber heute wieder stark im Leben und hat Gott sei Dank einen neuen Mann gefunden, mit dem wir eine Riesenfreude haben.

STANDARD: Familie ist Ihnen sehr wichtig – welche Werte?

Gabalier: Ich versuche, Tradition zu leben, aber am Puls der Zeit. Es tut mir weh, wenn es heißt, ich hätte ein veraltetes Frauenbild. Ich habe noch nie eine Freundin gehabt, die nicht selbst unglaublich fleißig gewesen wäre und im Job erfolgreich. Auch die Silvia (Exfreundin, Anm.) war alles andere als ein Frauenbild der alten Zeit. Ich mach selber total viel im Haushalt. Immer schon. Da wird gesaugt, Wäsche gewaschen, ich mach die Küche, schau auf alles. Auf eine gewisse Art ist das ein konservatives Leben, ja. So bin ich erzogen worden. Freundlichkeit, halbwegs ein Ton, der an den Tag gelegt wird, das habe ich mitgekriegt. Die Großeltern waren sehr religiös, die Mama ist sehr gläubig, ich hab auch meinen Glauben. Das ist eine gesund gelebte Mischung. Ich setz keinen Heiligenschein auf, aber wenn ich allein im Auto sitz, und es läuft eine geile Scheibe im Radio, dann sag ich schon einmal laut "Danke!" in Richtung Himmel für alles.

STANDARD: Apropos guter Ton: In der Redaktion rätseln wir seit zwei Jahren, ob wir in Ihrer Weihnachtskrippe der fehlende Ochs oder der fehlende Esel waren.

Gabalier: Ich glaub, ihr wart der Ochs. Ich hätte mir damals so sehr gewünscht, dass man einmal positiv oder neutral über mich berichtet.

STANDARD: Direkt wie eine Einladung dafür klang das nicht.

Gabalier: Natürlich nicht. Aber ich bin ja auch nicht nachtragend. Das war nach acht Jahren einstecken müssen halt einmal ein Witz zurück. Ich glaube, das hat jeder ausgehalten, oder?

STANDARD: Alleweil. (Karl Fluch, 19.12.2020)