So sieht Fritillaria delavayi nur dort aus, wo keine Menschen hinkommen, um sie abzuernten.
Foto: Yang Niu

Fritillaria delavayi ist eine eher unscheinbare Blume aus der Familie der Liliengewächse. Einige ihrer engsten Verwandten sind auffällige Erscheinungen – etwa die Schachblume mit ihrem Karo-Muster oder die leuchtend orange Kaiserkrone. Die Blüte, die Fritillaria delavayi ab ihrem fünften Lebensjahr entwickelt, bewegt sich hingegen recht monoton im Spektrum von Grün über Braun bis Grau. Sie ist im chinesischen Hengduan-Gebirge beheimatet und besiedelt dort trockene, steinige Hänge.

In der sogenannten Traditionellen Chinesischen Medizin werden Extrakten aus den Zwiebeln von F. delavayi und anderen Fritillaria-Pflanzen alle möglichen Wirkungen nachgesagt, von hustenlösend bis blutdrucksenkend. Die Nachfrage ist groß, die Preise steigend – und die Sammelwut der Bewohner der Region daher verständlich.

Tarnung aufgeflogen

Und das scheint auf die Pflanze nicht ohne Wirkung geblieben zu sein, wie Forscher der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Exeter vor kurzem berichteten. Sie glauben belegen zu können, dass Fritillaria delavayi eine Tarnung entwickelt hat, die sich ausschließlich gegen pflanzensammelnde Menschen richtet.

Um seine Hypothese zu belegen, erstellte das Team um Martin Stevens von der Uni Exeter ein Farbraster der Blumen aus verschiedenen Gebieten und verglich diese mit den Farben der jeweiligen Umgebung. Außerdem befragten sie Einheimische, in welchen Gebieten die Blume besonders stark gesammelt wird. Das Ergebnis: Je mehr Sammler in einem Gebiet aktiv sind, desto stärker nähert sich die Pflanze ihren Umgebungsfarben an.

Anschließend testeten die Forscher das Ganze noch im Umkehrverfahren und legten den Menschen Bilder verschiedener Pflanzen vor. Und tatsächlich brauchten diese deutlich länger, um die getarnten Exemplare zu erkennen. Wie gut die Pflanze in ihrer Umgebung aufgehen kann, zeigt das folgende Bild:

Hier muss man schon sehr genau hinschauen. Dies Pflanze stammt aus einem Gebiet mit hohem Erntedruck.
Foto: Yang Niu

Wenn aus einer ursprünglichen Population immer nur die unauffälligsten Exemplare überleben und so ihre Gene an gleichermaßen unauffällige Nachkommen weitergeben, dann ist das Evolution in Reinkultur. Dass Pflanzen auf diese Weise eine Tarnung gegenüber Pflanzenfressern entwickeln können, sei ein bereits bekanntes Phänomen, sagt Yang Niu vom Kunming-Institut für Botanik. Solche Pflanzenfresser habe man in der Region aber keine gefunden. Woraus sich nur der Schluss ziehen lasse: Hier sei der Mensch zum evolutionären Faktor geworden. (jdo, 19.12.2020)