Thront im Herzen der von ihm durchaus geliebten Wienerstadt: Ludwig van Beethoven (1770-1827), ertaubtes Genie.

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Als er an einem Dezembertag 1770 in Bonn das Licht der Welt erblickte, einer "reinlich gebauten" Provinzstadt, deutete wenig auf die Geburt eines Titanen hin. Der kleine Ludwig van Beethoven, Sohn eines zechfreudigen Tenors, wurde am 17.12. getauft. Sein unüberhörbares Musiktalent – es geht auf den flämischen Großvater zurück – wurde früh gefördert. Ludwig van? Hätte nach seiner Übersiedlung in die Donaumetropole 1792 ein liebenswürdiger Vollender der Wiener Klassik werden können: Hofmusiker im Seidenstrumpf. Willfähriger Pädagoge. Kapellmeister im Solde des immer selbstbewusster auftretenden Bürgertums.

Beethoven zog es vor, die Vorstellungen, die man sich zu Anfang des 19. Jahrhunderts von Musik gemacht hat, auf den Kopf zu stellen. Dieser vielfach als mürrisch beschriebene Einzelgänger verlieh der Tonkunst eine vordem nicht gekannte Tiefe. Keine Gattung, deren Formgesetze er nicht modifizierte, deren Ketten er nicht sprengte. "Wie der Behemoth die Meere durchstürmt, durchflog er die Grenzen seiner Kunst." Diese eigentlich schauerlichen Worte sprach kein Geringerer als Franz Grillparzer, 1827, als die Mitwelt fassungslos am Grabe ihres unverstandenen Titanen stand.

Selbst klein von Wuchs, erschien seine Statur bereits den Zeitgenossen ins Übergroße zu tendieren. Er werde nie eine Symphonie schreiben können, zauderte eine Generation später Brahms: Man wisse nicht, wie unheimlich es ihm zumute sei, wenn er immer "so einen Riesen hinter sich marschieren" höre. In der Tat war Beethoven, progressiv ertaubend, ein grobianischer Spaziergänger. "Faustisch" nennt man ihn: Er zerriss die Widmung seiner "Eroica" an Napoleon.

Unleserliche Notenschrift

Er stapfte an der Seite Goethes wütend durch eine Phalanx von Aristokraten. Er besaß eine unleserliche Notenhandschrift, doch er skizzierte ohne Unterlass. Bürgerlich sesshaft? Als Mietnomade wechselte er über 60 Mal die Wiener Anschrift. Doch hinter der Trotzmaske verbarg sich ein Humanist, der, als "Messie" avant la lettre, zwischen Pianofortes ohne Beine die Zelte nie für lange aufschlug.

Beethoven verkörperte die Freiheitsansprüche einer weltbürgerlichen Intelligenz, die sich von niemandem bevormunden lassen wollte. "Alle Menschen werden Brüder": Ehe es so weit ist, dürfen alle seine Zukunftsmusik hören, zum Beispiel seine "Hammerklaviersonate" op. 106. Wie sagte Ernst Bloch? Beethovens Musik steht für ein Glück ein, das es noch zu erringen gilt. (Ronald Pohl, 17.12.2020)