"Ich weiß, dass ich diese Wahl gewonnen habe", sagt Donald Trump, während Karl-Heinz Grasser meint: "Ich weiß, dass ich unschuldig bin." Zwei bemerkenswerte Zitate, die nicht nur ihren Realitätsbezug gemeinsam haben, sondern vermutlich auch vom gleichen Motiv ausgelöst wurden: Beide Herren wollen einfach nicht ins Gefängnis.

Beim ehemaligen Finanzminister hat sich diese Sorge seit dem 4. Dezember verstärkt, da an diesem Tag der von seiner Schwiegermutter initiierte Test von Grassers "Talent als Geldanleger" zu einem Ergebnis gekommen ist. Paradoxerweise hat Frau Giori-Lhota daran wesentlichen Anteil, da sie nicht bereit war, die diesbezügliche Erzählung ihres Schwiegersohns vor Gericht zu bestätigen. Ebenso wenig wie Gattin Fiona zur Entlastung ihres Mannes beitragen wollte, indem sie ihren versuchten Ohrringkauf von einem Konto, das laut Grasser nichts mit ihm zu tun hat, im Prozess erklärt hätte.

Wolfgang Sobotkas Verhandlungsführung im parlamentarischen U-Ausschuss hat niemanden durch Seriosität und Korrektheit geblendet.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Ein Akt familiärer Hilfsverweigerung, zu dem Grasser seltsamerweise auch in keinem seiner zahlreichen nach der erstinstanzlichen Verurteilung gegebenen Interviews befragt wurde. Das lag vielleicht daran, dass der einschlägige KHG-Fan-Journalismus schon ganz auf die Suche nach vermeintlichen Fehlleistungen der Richterin Marion Hohenecker konzentriert war. Der in dieser Hinsicht erschütterndste Fund gelang erwartungsgemäß dem Kurier, der exklusiv enthüllte, Hohenecker hätte "mit penibler Verhandlungsführung Grasser, Meischberger & Co geblendet".

Raffinierter Trick

Was für eine perfide Strategie! Durch korrektes Erledigen einer Aufgabe andere zu täuschen ist ein besonders raffinierter Trick, mit dem Arglose trügerisch in Sicherheit gewogen werden.

Umso wichtiger, dass kurz darauf Wolfgang Sobotka ein Zeichen gegen solche moralisch überladenen Formen von Amtsverständnis gesetzt hat. Seine Verhandlungsführung im parlamentarischen U-Ausschuss hatte schon zuvor niemanden durch Seriosität und Korrektheit geblendet. Nun hat er im Gespräch auf dem Political-Commercial-Presentation-Kanal oe24.tv endgültig für maximale Klarheit gesorgt.

Sie kennen das G’schäft, fürs Inserat gibt’s a Gegeng’schäft, oder?", fragte er dort Wolfgang Fellner, was als ernsthafte Frage ungefähr so wirkt, als würde man bei einer Einladung in einem Zigarrenklub den Gastgeber fragen, ob rauchen in diesen Räumlichkeiten erlaubt sei. Mit seiner Antwort "Ja natürlich!" verzichtete auch Fellner aufs Blenden, woraufhin sich Sobotka in noch schonungsloserer Geständnisbereitschaft erging. Die vermutlich staunend vor den Bildschirmen versammelte Korruptionsstaatsanwaltschaft erfuhr Details über den Kauf heimischer Politik und Politiker durch den Automatenglücksspielkonzern Novomatic. Und anders als Heinz-Christian Strache nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos sah der Nationalratspräsident bislang keinen Anlass, sich vom Gesagten zu distanzieren.

Der eingangs zitierte Trump lässt mittlerweile offen durchblicken, dass sein letztes politisches Ziel eine Begnadigung für sich und seine Familie ist. Sollte Sobotka im U-Ausschuss ein ähnliches Ziel für sich und seine Partei formulieren, hätte er auch dort den letzten Verdacht einer Blendung zerschlagen. (Florian Scheuba, 16.12.2020)