Er habe seinen Klienten, einen ruhigen, eher verschlossenen, nie aufbrausenden Mann, nur alle zwei Wochen gesehen. Seine Freunde habe er aber alle paar Tage getroffen, erzählte der Betreuer der Extremismuspräventionsstelle Derad über jenen Mann, der Anfang November schwer bewaffnet durch die Wiener Innenstadt lief und vier Menschen tötete.

Das am Mittwoch von der Regierung präsentierte Antiterrorpaket beinhaltet nun zumindest in den Bereichen der Prävention Ansätze, die künftig eine engmaschigere Begleitung von bereits Verurteilten ermöglichen könnten. Konkret scheinen die angekündigten "Entlassungskonferenzen" vor bedingten Entlassungen und die "Fallkonferenzen" nach Entlassungen und vor dem Ende der Probezeit samt einer gerichtlichen Aufsicht kluge Maßnahmen zu sein.

Kerzen an einem der Tatorte des Terroranschlags in Wien.
Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

An Entlassungskonferenzen, die an andere multiinstitutionelle Allianzen – etwa aus dem Kampf gegen häusliche Gewalt – erinnern, sollen neben der Polizei auch Deradikalisierungsorganisationen und Bewährungshelfer sowie Familienangehörige, Freunde oder Lehrer des Straftäters teilnehmen. In Kombination mit ebenso geplanten Weisungen, die den Verurteilten daran hindern, bestimmte Orte aufzusuchen oder Personen zu treffen, kann das ein probates Mittel für einen Neustart sein.

Auch die Schaffung eines Registers von Gefährdern, womit verhindert werden soll, dass diese Menschen jemals wieder legal eine Waffe kaufen oder Jobs im Sicherheitsbereich nachgehen können, ist natürlich längst überfällig. Es sind aber auch die eingangs erwähnten weniger spektakulären Punkte im Maßnahmenpaket, die einen größeren Effekt haben können als Symbolpolitik und Anlassgesetzgebungen.

Erster Schritt

Apropos Symbolpolitik: Dass künftig auch die Symbole der Identitären Bewegung so wie jene von Hib ut-Tahrir, einer Abspaltung der Muslimbruderschaft, und anderen islamistischen Gruppierungen verboten werden, mögen manche als populistische Gesetzgebung kritisieren. Tatsächlich können solche Gesetze aber direkt in den Alltag der Betroffenen eingreifen. Rechtsextreme Ideologien, die Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Justizministerin Alma Zadić (Grüne) – anders als Kultus- und Integrationsministerin Susanne Raab – bei der Präsentation des Pakets dezidiert miteinschlossen, zielen auf die gleiche Klientel ab: junge, noch formbare und dadurch radikalisierbare Menschen. Deren Eltern sind oft lange ahnungslos, wenn die Kinder sich schon längst mit einschlägigen Logos schmücken.

Maßnahmen wie solche gegen religiös motivierten Extremismus lassen auch gegen ideologischen Extremismus einsetzen. Man tat gut daran, das Ganze nicht wie von der ÖVP geplant als "Anti-Islamismus"-Gesetz zu titulieren. Trotzdem stellt sich die Frage, ob man nicht auch mit einem Ausbau der bestehenden Straftatbestände der staatsfeindlichen Bewegung oder der terroristischen Vereinigung gegen Hassprediger, Terroristen – oder rechtsextreme Drogen- und Waffenhändler, die vor Tagen ausgehoben wurden – hätte vorgehen können.

Dass die Regierung im Kampf gegen den Terror nach den peinlichen und folgenschweren Behördenpannen in Zusammenhang mit dem Anschlag unter Druck kam, ist klar. Der erste Teil des Pakets ist ein erster Schritt. Der zweite und die Reform des Verfassungsschutzes werden entscheidend sein. (Colette M. Schmidt, 16.12.2020)