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Bitcoin steigt und steigt. Die Rekordmarke von 20.000 Dollar ist überschritten. Krypto-Experten sehen noch viel Luft nach oben beim Preis.

Foto: Reuters / Dado Ruvic

Der Höhenflug von Bitcoin hält an. Die älteste und wichtigste Cyberwährung hat am Mittwoch die psychologisch wichtige Marke von 20.000 Dollar übersprungen. Ende 2017 und in den vergangenen Wochen war Bitcoin an dieser Schwelle mehrfach gescheitert. Ihr Wert stieg am späten Mittwochabend noch weiter. Um Mitternacht wurde die Kryptowährung auf der Handelsplattform Bitstamp mit über 21.400 Dollar ausgewiesen. "Wer noch nicht an Bitcoin glaubt, sollte das überdenken", sagte Naeem Aslam, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses Avatrade. "Das Biest ist nicht aufzuhalten."

Die Kryptowährungsbranche sei ihren Kinderschuhen entwachsen, findet auch der Analyst Simon Peters vom Onlinebroker eToro. "Sie wird bei institutionellen Investoren immer beliebter. Anleger nutzen Bitcoin mittlerweile als Inflationsschutz angesichts der Aussicht auf anhaltende staatliche Konjunkturhilfen." In den USA steuern Demokraten und Republikaner im Kongress auf einen Kompromiss im Streit um ein Hilfspaket zu.

Zwischenstopp oder Spekulationsblase?

Daneben hätten die Pläne des Zahlungsdienstleisters Paypal, Cyberdevisen als Zahlungsmittel zu akzeptieren, die aktuelle Rallye befeuert, sagte der Analyst Timo Emden. Hinzu kämen die Gedankenspiele der Notenbanken, eigene digitale Währungen aufzulegen: "Die Fed und die EZB liebäugeln mit der Einführung eigener E-Währungen." Das "Fear of missing out"-Phänomen beherrsche das Kursgeschehen. "Ein nicht unbedeutender Teil der Anleger hat schlichtweg Angst, etwas zu verpassen."

Zusätzliche Aufmerksamkeit erhalten Cyberdevisen durch den scheinbar nahenden Marktstart von Libra, sagt Analyst Emden. Der "Financial Times" zufolge soll die Internetwährung des Online-Netzwerks Facebook im Jänner 2021 starten, wegen des Widerstandes von Notenbanken und Regulierungsbehörden allerdings in einer abgespeckten Version. Ob die Digitaldevise, die inzwischen in Diem umbenannt wurde, diesmal grünes Licht erhalten werde, sei aber fraglich, warnt Emden.

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Kommt sie oder kommt sie nicht – die digitale Facebook-Währung Libra? Laut "Financial Times" könnte sie im Jänner in abgespeckter Form und unter dem neuen Namen Diem starten. An der Idee wird also wohl mit Hochdruck gearbeitet.
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"Die Hausse hat noch gar nicht angefangen", betonte Avatrade-Experte Aslam. "Bis hier war es lediglich eine Kurserholung." Nun sei die Tür aufgestoßen zum nächsten Kursziel bei 50.000 Dollar. "Beim Gedanken daran möchte man vielleicht lachen, aber man darf nicht vergessen, wo der Kurs vor sechs Jahren stand." Ende November 2014 kostete ein Bitcoin etwa 375 Dollar. Seither hat sich der Kurs mehr als verfünfzigfacht.

Wer bietet mehr?

Einige Analysten halten selbst ein Kursziel von 100.000 Dollar für realistisch. Keine Experten-Prognose für den Anstieg des Bitcoin-Kurses scheint derzeit abwegig. Brian Estes, Chefanleger des Hedgefonds Off the Chain Capital, sieht die Cyberdevise Ende 2021 bei 288.000 Dollar. Das ist in etwa das 14-Fache des aktuellen Rekordhochs. "Ich habe schon gesehen, wie sich Bitcoin binnen eines Jahres verzehn-, verzwanzig- und verdreißigfacht hat." Die nun erreichte Verfünffachung des Kurses im Vergleich zum Tief vom März sei daher keine große Sache.

Der Citigroup-Analyst Tom Fitzpatrick traut Bitcoin im kommenden Jahr sogar einen Anstieg auf bis zu 318.000 Dollar zu. Er begründet das unter anderem mit einem begrenzten Angebot. Off-the-Chain-Experte Estes stützt seine Vorhersage auf ein Modell zur Berechnung der Knappheit von Gütern wie beispielsweise Gold.

Kopfschütteln

Von Kevin Muir, einem unabhängigen Kryptowährungshändler, ernten diese Herangehensweisen nur Kopfschütteln. "Keine der Bitcoin-Vorhersagen von Hedgefonds taugt etwas. Man kann eine Manie nicht in ein Modell gießen." Es sei zwar durchaus denkbar, dass Bitcoin auf 200.000 oder 300.000 Dollar steige. "Aber hat irgendjemand wirklich Ahnung? Nie im Leben!"

Auch der Devisenhändler Juan Perez vom Finanzdienstleister Tempus äußert sich skeptisch. Ein Bitcoin-Kurs von 100.000 Dollar wäre ihm zufolge eine Wette auf den Zusammenbruch des Weltfinanzsystems. "Die Regierungen der Welt werden das nicht zulassen."

Warnung vor Rückschlägen

Bitcoin-Experte Emden warnt dagegen vor Kursrückschlägen. "Investoren verschwenden derzeit keinen Gedanken an irgendwelche Risiken. Schon bald könnten Regulierungsbehörden auf den Plan gerufen werden und wieder verstärkt ein Auge auf Bitcoin und Co werfen." Außerdem müsse mit Kritik von Notenbankern an der Kursexplosion gerechnet werden, die Kryptowährungen zumindest zeitweise den Wind aus den Segeln nähme.

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Der Kurs von Bitcoin hat schon viele Höhen, aber auch viele Tiefen gezeigt. Dass es nach dem Rekordhoch wieder zu Kursverlusten kommen kann, darf nicht vergessen werden.
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Ein Kind der Krise

Bitcoin entstand vor etwas mehr als zehn Jahren als Reaktion auf die Finanzkrise. Noch immer ist unklar, wer die digitale Währung eigentlich erfunden hat. Anders als bei klassischen Devisen kontrollieren hier weder Staaten noch Notenbanken den Wechselkurs. Er wird allein über Angebot und Nachfrage ermittelt. Außerdem begrenzt die Software die Zahl der ausgegebenen digitalen Münzen, um Inflation zu verhindern.

Verstärkt werde die Angebotsknappheit derzeit durch den Einstieg von Zahlungsdienstleistern wie Paypal oder Square in das Kryptowährungsgeschäft, schreiben die Experten des Hedgefonds Pantera in einem Aktionärsbrief. Sie saugten Cyberdevisen auf wie ein Schwamm.

Dem Branchendienst Coinmarketcap.com zufolge beläuft sich der Börsenwert sämtlicher Bitcoin derzeit auf rund 377 Milliarden Dollar. Das entspricht etwa zwei Dritteln der Marktkapitalisierung sämtlicher Kryptowährungen.

Immer mehr Groß-Depots

Parallel zum Bitcoin-Rekordhoch hat auch der "Whale-Index", der Kryptowährungskonten mit Guthaben von mindestens 1.000 Bitcoin zählt, ein Rekordhoch erreicht, sagt Phil Bonello, Chefanalyst des auf Cyberdevisen spezialisierten Vermögensverwalters Grayscale. Inzwischen gebe es mehr als 2.200 solcher Großdepots. Das sei ein Plus von 37 Prozent im Vergleich zu 2018. Ein weiterer Hinweis auf das wachsende Interesse institutioneller Anleger sei der Anstieg beim Handelsvolumen mit Bitcoin-Terminkontrakten an der US-Börse CME, sagt der Analyst Salah-Eddine Bouhmidi vom Brokerhaus IG. Dem Datenanbieter Skew zufolge wurden dort Mitte November binnen einer Woche erstmals seit Einführung der Titel Ende 2017 Futures im Volumen von mehr als einer Milliarde Dollar gehandelt.

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Im Windschatten von Bitcoin steigen jetzt auch die Kurse von anderen Kryptoeinheiten.
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Die zweitbekannteste und -wichtigste Internetwährung ist Ethereum. Sie legte im Windschatten der Bitcoin-Rallye in den vergangenen Wochen zwar ebenfalls zu, ist mit 620 Dollar aber noch weit von ihrem Rekordhoch von 1.384,78 Dollar Anfang 2018 entfernt.

Prinzip Hoffnung

Der Anlagestratege Michael Hewson vom Brokerhaus CMC Markets sagt, der Markt erhalte derzeit von drei Faktoren Auftrieb: von "der Hoffnung auf ein US-Konjunkturpaket, der Hoffnung auf ein Freihandelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU und den überraschend positiven Einkaufsmanager-Indizes". Mit 49,8 Punkten lag das Barometer für die Stimmung in den europäischen Unternehmen nur noch knapp unter der Schwelle von 50 Zählern, die Wachstum signalisiert. Volkswirt Bert Colijn von der ING Bank warnt allerdings vor überzogenem Optimismus. Die aktuelle Verschärfung der Pandemiebeschränkungen spiegle sich in den Zahlen nicht wider. Denn neben Bitcoin ziehen auch die wichtigsten Börsenindizes steil nach oben. (Reuters, bpf, 17.12.2020)