Das Café Schopenhauer in Wien-Währing ist nun auch Buchhandlung. Freilich nicht die erste Kombination dieser Art in der Bundeshauptstadt, aber eine besonders stimmige.
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Die Idee ist in Wien nicht neu, aber immer noch gut: das Zusammenführen von Kaffeehaus und Buchgeschäft an einem Ort. Die meisten Betriebe sind in erster Linie Buchgeschäfte, die auch Kaffee und Kuchen anbieten. Beim Café Schopenhauer ist das anders. Dieses Kaffeehaus, mit seiner Soundatmosphäre von leisem Geschirrgeklimper, bedecktem Gemurmel und knisternd umgeblätterten Zeitungen, harmoniert ungemein mit der stillen Kontemplation beim Blättern in ausgewählten Folianten. Der Duft von frisch gemahlenem Kaffee, die Haptik hochwertiger Bücher, das Knirschen eines uralten Parkettbodens – an diesem Ort ist Wien sehr bei sich.

Ein gehobener Schatz

Manfred Göd hat das altehrwürdige Café Schopenhauer in Währing übernommen und wiederbelebt. Das Schopenhauer war nicht irgendein Café. Hier lebte die Kaffeehauskultur, wie sie sonst nur bei Torberg zu finden ist. Schach- und Bridgerunden hatten hier auf extra dafür angefertigten Tischen und Beistelltischchen seit Jahrzehnten ihr regelmäßiges Stelldichein. Autoren und Künstler traten hier auf, hielten Lesungen und boten dar. Und die Küche versorgte in erster Linie die älteren Menschen der Umgebung zu Mittag mit warmen Kleinigkeiten.

Göd ist ausreichend gastronomieerfahren, um diesen Schatz nicht auf der Halde des Vergessens zu entsorgen, sondern zu heben und für alle gut sichtbar zu machen. Im Zuge der bitternotwendigen Renovierung wurde der Schach-, Bridge- und Kaffeehausbereich ziemlich unverändert belassen. Die Stammgäste danken es und fügen sich als perfekte Kaffeehausstatisten in ihre Rollen, die – Fußballfans auf ihren Rängen nicht unähnlich – für entsprechende Atmosphäre sorgen.

Ein zweiter Bereich wurde komplett umgebaut und schick gemacht, hier lassen sich Fass-Prosecco und Gin-Tonics entsprechend genießen. Design und Raumhöhe sind spektakulär. Die Küche bietet in erster Linie Frühstücke unterschiedlichster Art an, es gibt aber auch warme Kleinigkeiten und lokaltypische Hauptspeisen.

Das Buchgeschäft im Kaffeehaus verbindet nun beide Bereiche. Betritt man das Café, steht man sogleich im Buchgeschäft. Hier läuft man Gefahr, es nicht mehr bis zu einem der Tische rechts oder an die Bar links zu schaffen. Das Programm, das Manfred Göd hier auf Tischen und in Bücherkästen neben den üblichen Gassenhauern der Belletristik auflegt, und in dem man in hohen Fauteuils und Ohrensesseln schmökern und sich verlieren kann, ist tatsächlich erlesen.

Literarische Schwerpunkte

Die Schwerpunkte liegen bei zum Teil noch nicht bekannten österreichischen Autoren, bei Beiträgen zur kritischen politischen Auseinandersetzung, zur Nachhaltigkeit, Wissenschaft und zu feministischer Kritik. Im Entstehen ist so ein Ort der Begegnung und des philosophischen Diskurses, am Leben gehalten durch regelmäßige Buchpräsentationen, philosophische Zirkel und Streitklubs – ganz der Tradition der Cafés der 20er-Jahre verpflichtet.

Kaffee, Nikotin und Alkohol sind oder waren die klassischen Suchtmittel eines Kaffeehauses. Für manche gehört da auch der Schinken-Käse-Toast dazu, bitte sehr, bitte gleich.

Doch die wahre Sucht, den Zwang zuzugreifen, zu schnuppern, zu öffnen, zu lesen, sich zu verlieren und dann das Buch zu kaufen, um es womöglich zu Hause dann doch nicht zu lesen, sondern nur zu besitzen oder zu verschenken, diese Sucht bedient das Café Schopenhauer auf eine unglaublich perfide Art und Weise, da man an den Büchern einfach nicht vorbeikommt, sei es am Weg zur Tortenvitrine oder zur Toilette. Die Blicke streifen über die Titel, aus Titeln werden Texte, aus Texten Bücher, und diese stapeln sich in Folge am Nachtkasterl zu Türmen der Fantasie, des Wissens und der Bildung. (Gregor Fauma, 18.12.2020)