Team Christkind ist derzeit österreichweit unterwegs. Der Paketzusteller der Post, der im zweiten Bezirk um 10.45 Uhr gerade in seinen gelben Van mit der eigens angebrachten Christkind-Signatur steigt, ist um diese Zeit schon zwölf Stunden im Dienst, wie er sagt. Freundlich ist er trotzdem, auch wenn er derzeit Überstunden machen muss – ob er wolle oder nicht. Viel Zeit zum Plaudern hat der Mann nicht. Die Antwort auf die Frage, warum er den Job mache, geht fast im Motorengebrumm unter. "Ich muss, ich habe drei Kinder", ist noch zu hören, und schon ist er weg.

Seit Jahren wächst das Paketaufkommen. Die Anzahl der Post-Pakete hat sich in zehn Jahren verdoppelt. Der Lockdown und die Angst, sich beim Shoppen mit dem Coronavirus anzustecken, befeuern Online-Einkauf und Auslieferung und bescheren Logistikriesen und ihren Transporteuren Rekordaufträge. Im Vorjahr wurden 249 Millionen Pakete durch Österreich gekarrt, knapp ein Fünftel mehr als im Jahr davor. Rund die Hälfte davon hat die Post befördert. Den Rest teilt sich die Konkurrenz, globale Logistikkonzerne oder deren Töchter wie DPD, GLS oder der US-Riese UPS. Für heuer erwartet die Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR) für das vierte Quartal allein 65 Millionen Inlandspakete.

1,3 Millionen Pakete pro Tag

"Weihnachten ist immer arg, heuer ist es extrem", bestätigt Post-Sprecherin Kathrin Schrammel. Die Zusteller würden gut 200 Packerl pro Tagen ausliefern, der "Peak" sei mittlerweile aber überstanden. Zuletzt wurden rund 1,3 Millionen Pakete pro Tag verteilt, nun würden die Bestellungen wieder etwas zurückgehen. "Wir waren gut vorbereitet", meint Schrammel. Für die Weihnachtszeit seien 1300 Personen neu beschäftigt worden – dazu zählen nicht nur Mitarbeiter, sondern auch Leasing-Dienstleister und Frächter. "Unsere Mitarbeiter haben extrem viel zu tun", heißt es. Aber: "Die Stimmung ist gut."

Im Postverteilzentrum Hagenbrunn geht es, wie an anderen Hotspots, besonders rund um Weihnachten heiß her.
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Ganz anders klingt das bei der Gewerkschaft. Mitarbeiter seien physisch und psychisch am Ende, klagt Post-Gewerkschaftsvorsitzender Helmut Köstinger. Die Zahl der eingebrachten Beschwerden befinde sich auf Höchstniveau, ein Ende der Belastung sei nicht in Sicht. Köstinger geht davon aus, dass auch nach Weihnachten weiterhin viel online bestellt wird. "Die Paketflut wird nicht abreißen."

Am Limit

Die Post-Mitarbeiter würden derzeit "Unmenschliches leisten", sagt der Gewerkschafter – und das sieben Tage pro Woche. Bereits vor dem Weihnachtsgeschäft hätten sich die Packerln in den Filialen bis zur Decke gestapelt. Auch die Angestellten in den Verteilerzentren seien "absolut am Limit", meint Köstinger. "Das darf nicht schöngesprochen werden." Wichtig sei ihm, dass Überstunden freiwillig geleistet werden. Sei doch auch die körperliche Belastung enorm: Immerhin können Pakete bis zu 31,5 Kilogramm auf die Waage bringen – und müssen mitunter in höhere Stockwerke geschleppt werden. Die Gewerkschaft fordert niedrigere Gewichtsgrenzen. Bei der Post winkt man ab. Angesprochen auf die extreme Arbeitsbelastung kontert der Konzern, man habe nicht nur Personal aufgestockt, sondern auch den Schichtdienst umgestellt und Betriebsmittel erhöht.

Subunternehmer ächzen

Dass die Arbeitsbelastung bei den Dienstleistern steigt, zeigen indes auch Zahlen der Arbeiterkammer Steiermark. Demnach liefert heute ein Zusteller im Schnitt 250 Pakete pro Tag, 2018 waren es 130 bis 150. Vor allem kleine Frächter oder Einzelkämpfer ächzen unter dem Druck, den die Großen an ihre Sublieferanten weitergeben. Auch Amazon gerät immer wieder in die Kritik und erklärt dann regelmäßig, man lasse die Transporteure einen Verhaltenskodex unterschreiben. Diese hätten sich an ethische Grundwerte zu halten.

Für die vielen Paketkuriere ist der Shoppingwahnsinn meist kein Grund zur Freude. AK und Gewerkschafter fordern im Zustellbereich eine Generalhaftung der Versender bis zum letzten Glied.
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Der Job ist überall hart. Aber es gibt eine Art Hackordnung. Oben sind die Großen Logistikriesen wie die Post und internationale Logistikkonzerne, die absahnen und auch verhältnismäßig ordentliche Arbeitsbedingungen und Bezahlung bieten. Bei einem Vergleich der Arbeitsbedingungen der Zusteller in Hinblick auf Entlohnung, Arbeitszeit und Einhaltung arbeitsrechtlicher Vorschriften der AK Steiermark vor zwei Jahren schnitt die Post verhältnismäßig gut ab. Obwohl auch beim gelben Riesen atypische Beschäftigungsverhältnisse, Teilzeitverträge, geringfügige Beschäftigung und der Einsatz von Leiharbeitskräften zugenommen hätten, wie es hieß. Bei den globalen Logistikkonzernen bzw. den für sie tätigen Subunternehmen sind diese Formen demnach an der Tagesordnung.

Alle Jahre wieder steigt aber nicht nur bei den Heerscharen an Auslieferern zu solchen Hochzeiten der Blutdruck. Auch bei den Konsumentenschützern schlagen regelmäßig mehr Beschwerden der Konsumenten auf. Weil der Paketbote nicht läutet, sondern das berüchtigte Zetterl hinterlässt. Weil das Packerl beim Nachbarn abgegeben wird ohne entsprechende Vereinbarung. Weil die heißersehnte Ware nie auftaucht und das maßlosen Ärger beschert. Alles in allem ist aber die Zahl der Beschwerden angesichts der Mengen überschaubar. 586 Schlichtungsverfahren erwartet die RTR bis Jahresende.

Zorn über Nichtzustellung

Über die Erbitterung Betroffener sagt das naturgemäß nichts aus. So sah sich ein Postkunde zu einer an die Staatsanwaltschaft übermittelten Sachverhaltsdarstellung gezwungen. Der Inhalt: Die Post verspreche die Paketzustellung gegen Gebühr, "ohne jemals die Absicht zu haben, die Leistung zu erbringen". Den Empfängern werde ohne Zustellversuch eine Nachricht in den Briefkasten gelegt, ihr Paket sei am Postamt hinterlegt. Das würde auch die Auftraggeber schädigen, so der erboste Mann, der von vielen Leidensgenossen ausgeht. Viel Lärm also rund um die Pakete in der stillsten Zeit. (Regina Bruckner, Nora Laufer, 18.12.2020)