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War für die meisten Fragesteller heuer nur auf dem Bildschirm zu sehen: Wladimir Putin bei seiner Jahrespressekonferenz.

Foto: Reuters / Maxim Shemetov

Einen Rekord stellte Wladimir Putin bei seiner viereinhalbstündigen Jahrespressekonferenz nicht auf. Die Anzahl der Journalisten war wegen Covid-19 bei der 16. Auflage der Veranstaltung begrenzt. Der russische Präsident selbst hielt sich in seiner Residenz Nowo-Ogarjowo auf, umgeben nur von seiner üblichen Entourage, den Korrespondenten des Kreml-Pools.

Andere Journalisten mussten ihre Fragen online stellen. Zudem wurde die Pressekonferenz mit dem im Sommer ausgefallenen Live-Draht, bei dem Bürger dem Präsidenten ihre Probleme schildern können, gekoppelt. Womöglich lag es auch an diesem Format, dass die Veranstaltung schläfriger war als in der Vergangenheit. Das erste Stirnrunzeln als Reaktion auf eine unangenehme Frage zeigte der Kreml-Chef nach zweieinhalb Stunden.

Da hatte ihn der eigentlich loyale Korrespondent der Wirtschaftszeitung Kommersant gefragt, wozu er denn die Annullierung seiner bisherigen Amtszeiten in die Verfassung geschrieben habe. Persönliche Ambitionen stritt Putin rigoros ab, die Änderung diene einzig der Stabilität des politischen Systems. "Ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich 2024 kandidiere", sagte er.

Nawalny als US-Spion

Vorher wurde der Kreml-Chef auf die separatistische Donbass-Region in der Ostukraine angesprochen, der er weitere Hilfe versprach, und auf den Oppositionspolitiker Alexej Nawalny. Dies allerdings so weich, dass die Frage vermutlich abgesprochen war. So zeigte sich Putin bestens präpariert und disqualifizierte die jüngsten Recherchen zu mutmaßlich acht an der Vergiftung beteiligten FSB-Agenten – ohne auf die Vorwürfe detailliert einzugehen – als "Legalisierung von Materialien des US-Geheimdienstes".

Nawalny, den Putin konsequent als "Patient einer Berliner Klinik" bezeichnete, werde somit offenbar vom US-Geheimdienst unterstützt, schlussfolgerte der 68-Jährige, womit er dann auch die Beschattung des Oppositionspolitikers rechtfertigte. Gleichzeitig bestritt er lachend mit den vorher aus dem Kreml schon bekannten Argumenten – "wer braucht ihn schon" und "wenn sie gewollt hätten, hätten sie es bestimmt zu Ende gebracht" – eine Vergiftung seines Kontrahenten.

Anschließend thematisierte Putin das Verhältnis zum Westen, dem er Voreingenommenheit und, bezugnehmend auf die Nato-Osterweiterung und die Kündigung mehrerer Abrüstungsabkommen, Vertragsbruch gegenüber Russland vorwarf.

Signal nach Washington

Trotzdem setzt Putin weiter auf die Fertigstellung der Pipeline Nord Stream 2, die "offensichtlich vorteilhaft für die europäische und insbesondere deutsche Wirtschaft" sei. Er hoffe, dass die neue US-Administration ihren eigenen Partnern keine neuen Hindernisse in den Weg legen werde, fügte er süffisant hinzu. Dem neuen US-Präsidenten Joe Biden hatte Putin erst in dieser Woche als einer der letzten Staatschefs weltweit zur Wahl gratuliert.

Über den Stand der eigenen Wirtschaft hatte sich Putin zuvor schon weitgehend zufrieden geäußert, auch wenn er im Zusammenhang mit der Pandemie "ein Meer von Problemen" einräumte. Doch diese hat Russland nach Ansicht des Kreml-Chefs mit einem moderaten BIP-Minus von 3,6 Prozent besser gelöst als die Industrieländer.

Auch die sozialen Folgen hält Putin für unter Kontrolle, obwohl er den Anstieg der Arbeitslosigkeit, den Rückgang der Realeinkommen, die Vergrößerung der Armut und eine erhöhte Sterberate konstatieren musste. Schließlich sei es in den 1990er-Jahren alles viel schlimmer gewesen, brachte er während der Pressekonferenz auch sein Lieblingsargument an.

Einmal mehr lobte er auch das russische Gesundheitssystem als "effektiv" und die Wissenschaft mit der Entwicklung des Corona-Vakzins Sputnik V als weltweit führend. Interessantes Detail am Rande: Selbst hat sich Putin noch nicht mit dem russischen Vakzin impfen lassen. Angeblich, weil Sputnik V noch nicht für seine Altersgruppe zugelassen sei. Immerhin: Sobald die Erlaubnis dafür erteilt sei, werde er sich impfen lassen, versicherte er. (André Ballin aus Moskau, 17.12.2020)