Einer der Wissenschaftshelden des Jahres: Biontech-Chef Uğur Şahin trug wesentlich zur ersten zugelassenen Impfung gegen Covid-19 bei.

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Die Covid-19-Pandemie hat die Welt verändert – und natürlich auch die der Wissenschaft. So wie alle anderen Berufsgruppen mussten sich auch Forscherinnen und Forscher in ihrer täglichen Arbeit an die neue Situation anpassen. Sie leisteten zugleich aber auch wesentliche Unterstützung bei der Bekämpfung der Pandemie – und stellte damit eindrucksvoll ihre Bedeutung für unsere Gesellschaft unter Beweis.

Sowohl durch epidemiologische Modelle, die dabei halfen, wirkungsvolle Maßnahmen gegen die Weiterverbreitung des Virus zu setzen, durch Verbesserungen der medizinischen Behandlungsmöglichkeiten und insbesondere durch die Entwicklung von Impfstoffen in Rekordtempo konnte noch Schlimmeres verhindert werden. Und vor allem dank der Vakzine können wir doch mit einer Hoffnung auf das Jahr 2021 blicken.

Das Wissenschaftsmagazin "Science" erklärte aus diesem Grund auch die Impfstoffe gegen Covid-19 zum wissenschaftlichen Durchbruch des Jahres 2020. Um nur drei von vielen Wissenschaftern zu nennen, die daran beteiligt waren: Das deutsch-türkische Forscherpaar Özlem Türeci und Uğur Şahin entwickelte mit seiner Firma Biontech den ersten offiziell zugelassenen Impfstoff, und die aus Ungarn stammende Biochemikerin Katalin Karikó trug Wesentliches zu den Grundlagen der mRNA-Technologie bei.

Pandemisches Publizieren

Die Pandemie hatte aber auch starke Auswirkungen auf das wissenschaftliche Publizieren, das Um und Auf aller Forschung. Einerseits gab es erhebliche Veränderungen, die sich zum Teil durch den Lockdown und andere Beschränkungen für Experimente im Labor ergaben. Andererseits kam es aber auch zu systemischen Veränderungen, die wohl weit über das Jahr 2020 hinausreichen werden.

Insgesamt kam es heuer zu einem starken Anstieg bei den wissenschaftlichen Artikeln quer durch alle Forschungsfelder: Allein bei den Zeitschriften des einflussreichen Verlagsmultis Elsevier stiegen die Einreichungen zwischen Februar und Mai um rund 270.000 oder 58 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2019. Bei Artikeln aus den Bereichen Gesundheit und Medizin war der Anstieg sogar noch höher und betrug satte 92 Prozent.

Das hatte wohl in erster Linie damit zu tun, dass Forscher mehr Zeit zu Hause verbrachten und sich entsprechend stärker dem Schreiben widmen konnten. (Dass hier nur die männliche Form verwendet wird, hat einen Grund: Bei Forscherinnen fiel der Anstieg der Publikationstätigkeit deutlich geringer aus.)

30.000 Covid-Preprints

Nach Schätzungen des Wissenschaftsmagazins "Nature" werden sich rund 100.000 publizierte Fachartikel des Jahres 2020 dem Thema Corona widmen (bis Dienstag waren es 91.428), was immerhin rund vier Prozent des Gesamtpublikationsaufkommens ausmacht. Fast noch wichtiger ist aber eine andere Zahl: Mehr als 30.000 der in diesem Jahr veröffentlichten Covid-19-Artikel erschienen zunächst als Preprints – das sind mehr als 30 Prozent der gesamten Forschungsarbeiten zu Corona.

Viele wesentliche Erkenntnisse gelangten auch schon über Preprints an die Öffentlichkeit, was aufgrund der Dringlichkeit der Pandemie einerseits quasi ein Gebot der Stunde war, aber andererseits natürlich auch Risiken birgt. Denn die Begutachtung durch Kollegen im Peer-Review, die bei Preprints nicht gegeben ist, gehört zur Qualitätssicherung in der Forschung. (Peer-Review konnte allerdings nicht die beiden größten Publikationspeinlichkeiten des Jahres verhindern, die ebenfalls mit Corona zu tun hatten.)

Das Fachmagazin "eLife", das als Open-Access-Journal gegründet wurde, hat aus dem heurigen Siegeszug der Preprints jedenfalls schon seine Konsequenzen gezogen. Es will nur noch Artikel veröffentlichen, die vor dem Peer-Review auf einer der Preprint-Plattformen publiziert worden sind. (Klaus Taschwer, 18.12.2020)