In den Senaten stimmen Professorinnen und Professoren, der akademische Mittelbau sowie Studierende mit. Mit der Uni-Novelle würden sie bald Kompetenzen verlieren.

Ab dem Wintersemester 2021 wird sich an den Universitäten vieles ändern, wenn es nach der türkis-grünen Regierung geht. Noch bis Mitte Jänner wird die Novelle des Universitätsgesetzes (UG) eifrig begutachtet, danach soll sie im Parlament beschlossen werden. Über das Wochenende gab es erneut Protestaktionen der Initiative "Bildung Brennt", die gegen die UG-Novelle mobil macht.

Neben der Mindeststudienleistung von 24 ECTS-Punkten binnen der ersten vier Semester steht vor allem die Machtverschiebung an den Unis in der Kritik der Aktivisten. Verlierer dieser Reform sind die Senate, in denen zur Hälfte Professoren und zu je rund einem Viertel Studierende und der akademische Mittelbau vertreten sind. Die Senate werden laut Novelle künftig bei der Wiederbestellung von Rektoren übergangen und bei der Gestaltung von Studienplänen sowie Berufungsverfahren beschnitten. Die Senate laufen dagegen Sturm, doch auch von wissenschaftlicher Seite regt sich nun herbe Kritik.

Im Gespräch mit dem STANDARD erklären Verfassungsrechtler: Die vorgesehene Entmachtung der Senate im türkis-grünen Uni-Gesetz dürfte verfassungswidrig sein. Die demokratische Mitsprache der Universitätsangehörigen bei solch wesentlichen Entscheidungen sei für die Autonomie der Unis essenziell und dürfe nicht derart gravierend ausgehebelt werden.

Wahl durch Senate zentral für Uni-Autonomie

Besonders deutlich wird das Problem bei der Neuregelung der ersten Wiederbestellung von Rektoren. Bisher brauchten Rektoren für eine neuerliche vierjährige Amtszeit sowohl eine Zweidrittelmehrheit im Universitätsrat als auch eine Zweidrittelmehrheit im Senat. Künftig entscheidet der Universitätsrat allein, seine Mitglieder werden zur Hälfte von der Regierung beschickt und zur anderen Hälfte vom Senat. Der Senat selbst darf künftig aber nicht mehr mitstimmen, sondern wird nur mehr "angehört".

Die Rechtsprofessorin Anna Gamper von der Uni Innsbruck hält das für verfassungswidrig. Sie erinnert an ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs, in dem die Rektorswahl durch den demokratisch legitimierten Senat als zentrales Element der verfassungsmäßig garantierten Uni-Autonomie angeführt wird. Zum Wesen eines demokratischen Wahlsystems gehöre aber, dass man regelmäßig mitstimmen dürfe und "nicht nur zu allen heiligen Zeiten", sagt Gamper. Wenn ein Rektor künftig acht statt vier Jahre lang walten könne, bis er sich zum zweiten Mal einem Senat stellen müsse, sprenge das den zulässigen Rahmen. Peter Bußjäger, Staatsrechtler an der Uni Innsbruck, pflichtet bei: Sollte die Bestimmung tatsächlich beschlossen werden, hätte eine Bekämpfung beim Verfassungsgerichtshof laut seiner Einschätzung gute Erfolgschancen.

Vorgaben des Rektorats

Auch bei den Studienplänen gewinnt das Rektorat mehr Einfluss zulasten des Senats, der bisher allein für Curricula zuständig war. In Zukunft bekommt das Rektorat ein Initiativrecht zur Erlassung von Curricula und eine Richtlinienkompetenz bei deren Gestaltung. Im Gesetzesentwurf ist von "strukturellen" Vorgaben die Rede, die das Rektorat dem Senat für die Curricula auftragen kann.

Die grüne Wissenschaftssprecherin Eva Blimlinger erwartet sich davon eine transparentere Vergabe von ECTS-Punkten. Aus den Erläuterungen des Gesetzes weht allerdings ein etwas anderer Geist: Das Ministerium schreibt, es sei "unbefriedigend, dass Anliegen des Ressorts im Hinblick auf eine Steuerung zwar mit dem Rektorat vereinbart werden, der Senat jedoch nicht daran gebunden ist". Die Aufwertung des Rektorats solle der besseren Erfüllung der Leistungsvereinbarungen dienen, heißt es weiter.

Struktur und Inhalt

Verfassungsjuristin Gamper hält den Durchgriff auf den Senat für weitreichend: "Man darf das nicht herunterspielen und so tun, als blieben die inhaltlichen Entscheidungen unangetastet. In Wahrheit ist der Begriff der 'strukturellen' Richtlinie überaus schwammig. Struktur und Inhalt von Curricula hängen eng zusammen." Ein fünfköpfiges Rektorat, das die Vielzahl akademischer Disziplinen nur lückenhaft abbilden kann, statt des fachlich breit aufgestellten Senats mit seinen rund 20 Mitgliedern in die Curricula hineinregieren zu lassen sei sachlich nicht gerechtfertigt, befindet Gamper. Ihr Fazit: Die avisierte Beschneidung der Senate ist auch in dem Aspekt verfassungswidrig.

Diskriminierung der Generation Ü70

Noch ein weiterer Punkt sorgt bei Eingeweihten für Verwunderung, er betrifft die älteren Semester in der Rektorenschaft. Mit dem neuen Gesetz müssten Rektoren, die das Alter von 70 Jahren erreichen, abdanken. Auch wer eigentlich für länger gewählt ist, wäre also gezwungen, sein Amt mit 70 zu räumen. Doch darf man Menschen einfach per Federstrich eine Funktion verbieten, nur weil sie nicht mehr die Jüngsten sind? Jurist Bußjäger verneint: "Diese Regelung ist wohl nicht mit dem Europarecht vereinbar, das ein Verbot der Altersdiskriminierung festlegt."

Die Regierung argumentiert die Altersgrenze für Rektoren mit einem Vergleich zu den Verfassungsrichtern, bei denen ebenfalls mit 70 Schluss ist. Diese Parallele sei allerdings juristisch verfehlt, erklärt Expertin Gamper. Bei den VfGH-Richtern sei die Schwelle schon in der Verfassung selbst festgeschrieben, das könne man aber nicht im Handumdrehen auf ein einfaches Gesetz übertragen, das – auch bei der Anknüpfung an das Alter – streng an den Gleichheitsgrundsatz gebunden ist.

Zudem verweist Gamper darauf, dass es für Verfassungsrichter außer dem Siebziger keine andere Beschränkung der Funktionsperiode gibt. Wer etwa im Alter von 40 zum VfGH kommt, bleibt die nächsten 30 Jahre automatisch am Höchstgericht. Rektoren haben hingegen eine definierte Zeitspanne von je vier Jahren, für die sie gewählt sind. Wenn man wirklich verkrustete Seilschaften vermeiden wolle, solle man wie bei andern Ämtern lieber die Zahl der Funktionsperioden gesetzlich begrenzen, regt die Juristin an. (Theo Anders, 21.12.2020)