Zu, auf, zu auf, zu, auf. Kaum ein Jahr in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte Österreichs hat die Ökonomen der großen Forschungsinstitute vor so eine große Herausforderung gestellt. Die Pandemie und die Lockdowns haben tiefe Spuren hinterlassen und die Vorhersagen jedes Mal auf den Kopf gestellt.

Doch inzwischen nähert sich das Jahresende, und während 2021 im Wesentlichen weiter ein Ratespiel bleibt, lichtet sich der Nebel zumindest für das zu Ende gehende Jahr. Und so wurden die neuen Zahlen, die von Wifo und IHS am Freitag vorgelegt wurden, mit einiger Spannung erwartet.

Kurzzusammenfassung der Ergebnisse: Der Einbruch 2020 wird mit dem Attribut "spektakulär" in die Geschichtsbücher eingehen. Dass es angesichts des zweiten Lockdowns noch schlimmer hätte kommen können, bleibt wohl eher ein schwacher Trost.

Zu den Zahlen: Laut Wifo wird die Wirtschaftsleistung heuer bis zum Jahresende um 7,3 Prozent geschrumpft sein. Das IHS rechnet sogar mit einem Minus von 7,5 Prozent. Das Staatsdefizit wird je nach Berechnung um 10,1 Prozent (Wifo) oder 10,7 Prozent (IHS) höher sein. Die Zahl der Arbeitslosen ist im Jahresschnitt von rund 301.000 auf knapp über 400.000 gestiegen.

Nicht allein der Tourismus

Mit diesen Zahlen reiht sich Österreich tatsächlich unter jenen Staaten in Europa ein, die besonders schwer angeschlagen sind. Ein Blick nach Deutschland, wo diese Woche erst das Forschungsinstitut Ifo seine neuen Zahlen vorgelegt hat: Vergleicht man die Werte des Ifo mit der etwas optimistischeren Annahme des Wifo, zeigt sich eine frappierende Differenz. Österreichs Wirtschaft ist um 34 Prozent stärker eingebrochen als jene Deutschlands, das Defizit ist um 110 Prozent stärker gestiegen, und auch die tatsächliche Arbeitslosigkeit hat in Österreich doppelt so stark zugenommen wie in der Bundesrepublik.

Die Lockdowns dämpften die Kauflaune.
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Im Vergleich der Eurozone liegt Österreich, was den Wirtschafsteinbruch betrifft, etwa im Schnitt. Die Ökonomen der Industriestaatenorganisation OECD haben für den Euroraum zuletzt mit einem Minus von 7,5 Prozent für 2020 gerechnet. Wobei es in der Eurozone eine große Kluft gibt: Länder wie Deutschland, Finnland, die Niederlande oder Schweden verzeichneten einen moderaten Einbruch, schlimm ist es in Italien oder Frankreich, Österreich liegt hier im Mittelfeld.

Aber wie erklärt sich die große Differenz zu Deutschland? Was das Wirtschaftswachstum betrifft, ist "ein guter Teil" davon auf die größere Bedeutung der Tourismusindustrie in Österreich zurückzuführen, sagt der Wifo-Ökonom und Tourismusexperte Oliver Fritz. Fast zwei Drittel der Differenz wäre damit zu erklären. Aber was ist mit dem Rest?

Groß und Klein

Ein Teil des Unterschieds dürfte auch daran liegen, dass die Pandemie Österreich insgesamt stärker getroffen hat und der zweite Lockdown hier härter war. IHS-Chef Martin Kocher erklärte die Differenz am Freitag aber auch mit der Größe des Nachbarlands. Österreich sei als kleines Land etwa stärker von offenen Grenzen und ausländischen Arbeitskräften abhängig. Wifo-Leiter Christoph Badelt gab außerdem zu bedenken, dass die Krisenpolitik in Deutschland stärker auf Haftungen zurückgegriffen habe als hierzulande. Inwiefern diese schlagend werden, liege noch zur Gänze im Bereich der Annahmen. Abgerechnet werde nach der Pandemie, so die beiden Ökonomen – man könne seriös noch nicht sagen, wer besser und wer schlechter durch die Krise gekommen sei.

Unklar ist jedenfalls noch, warum die Neuverschuldung in Österreich doppelt so stark steigt, dies sich jedoch nicht durch einen geringeren Einbruch der Wirtschaft bemerkbar macht. Viel mehr ausgegeben, aber weniger erreicht? Lautet so das Fazit? Badelt verneint: Die Krisenpolitik sei richtig gewesen, jetzt müsse man bei den einzelnen Maßnahmen allerdings nachschärfen. Die genaue Wirkung der Maßnahmen sei noch nicht abschätzbar, ein entsprechender Ländervergleich deshalb wenig seriös.

Zweiter Lockdown glimpflicher

Mit Blick auf das Corona-Jahr 2020 gilt jedenfalls: Es hätte für Österreichs Wirtschaft auch noch schlimmer kommen können. Denn wie aus Prognosen von Wifo und IHS hervorgeht, ist der Einbruch durch den zweiten Lockdown weniger stark als erwartet ausgefallen. Die Umsätze in der Hotellerie und Gastronomie sind zwar dramatisch zurückgegangen. Dafür entwickelt sich aber die Industriekonjunktur deutlich besser als im Frühjahr – und das stützt die Wirtschaft insgesamt. Der Außenhandel ist relativ stabil, ebenso der Bausektor. Zudem war die Erholung über den Sommer etwas stärker als gedacht.

Wie sind die Aussichten für 2021? Das Wifo erwartet für das kommende Jahr ein Wirtschaftswachstum von 4,5 Prozent, und zwar unter der Annahme, dass kein mehrwöchiger harter Lockdown kommt. Kommt dieser, rechnet das Wifo nur mit einem Wachstum von 2,5 Prozent im kommenden Jahr. (András Szigetvari, 18.12.2020)