Endlich die Tür hinter sich zufallen lassen: Bis es so weit ist, müssen Wohnungssuchende einige Hürden nehmen.

Foto: Matthias Cremer

In den letzten Jahren ist die Wohnungssuche in Wien für viele zu einem Abenteuer geworden. Und das ist noch positiv formuliert. Denn eine halbwegs zentrale Mietwohnung zu finden, die auch noch leistbar und in gutem Zustand ist, ist zum Kunststück geworden.

Davon weiß auch auch Andreas J. zu erzählen. Er und seine Freundin beschlossen vor einigen Monaten, zusammen in eine neue Wohnung zu ziehen. "Zwei, drei Zimmer, vielleicht eine Terrasse", das waren die Wunschvorstellungen des Paares. Die Ernüchterung kam schnell: "Das ist alles richtig teuer geworden", erzählt der junge Mann.

Und damit nicht genug: Wenn auf den diversen Online-Plattformen einmal die vermeintlich perfekte Wohnung gefunden ist, muss man sich noch gegen die große Konkurrenz durchsetzen und den Vermieter von sich überzeugen. In Wien hat sich in den letzten Jahren etabliert, dass Vermieter von Interessenten Lohnzettel verlangen, um zu überprüfen, ob sie sich die Wohnung überhaupt leisten können.

Bald wie in Berlin?

Manche verlangen auch noch einen Bonitätsnachweis. Derzeit noch eher selten sind dafür Motivationsschreiben. Diese Schreiben kennt man schon von heiß umkämpften Wohnungsmärkten wie Berlin. Daher gibt es für Wohnungssuchende online auch schon unzählige Mustervorlagen, in denen man seinem künftigen Vermieter blumig erzählen kann, dass man gerne Ski fährt und was man beruflich macht.

In Wien sind Motivationsschreiben bei der Wohnungssuche derzeit noch die Ausnahme: Wolfgang Kirnbauer vom Mieterschutzverband ist so ein Fall überhaupt erst einmal untergekommen, und zwar vor wenigen Wochen. Laut Elke Hanel-Torsch von der Mietervereinigung werden solche Schreiben "sehr selten" verlangt. Es gebe aber Hausverwaltungen, die diese zumindest empfehlen.

Wer nichts preisgibt, ist im Nachteil

Ob Wohnungssuchende den Wünschen des potenziellen Vermieters nachkommen und sämtliche verlangten Informationen vorlegen, ist natürlich ihnen überlassen. Wer das allerdings nicht macht, ist vermutlich im Nachteil – und wird die Wohnung am Ende wohl auch nicht bekommen. Explizit nicht gefragt werden darf übrigens nach der sexuellen Orientierung und der Religion.

Mieterschützer Kirnbauer ist der grassierende "Datenstriptease" ein Dorn im Auge. "Früher wäre kein Vermieter auf die Idee gekommen, solche Informationen zu verlangen", sagt er. Aber immer öfter sind die Vermieter große Immobilienunternehmen, die auch die Vermietung professionell angehen.

Datenschutzbedenken

Kirnbauer hat auch Bedenken, was den Datenschutz angeht. Immerhin würden Vermietern auf die Art große Mengen an Daten "hinübergeschoben". Ob sie damit auch immer verantwortungsvoll umgehen, wisse man nicht.

Verlangt wird oftmals, dass die Miete nur 30 oder 40 Prozent vom Einkommen der Mieter ausmacht, was bei den verlangten Mietpreisen oft illusorisch ist. Das macht es für viele Menschen auch zunehmend schwierig, an eine Wohnung zu kommen: "Im Zuge der Corona-Krise ist mir aufgefallen, dass Selbstständigen immer weniger Vertrauen entgegengebracht wird", sagt Kirnbauer. "Am liebsten haben Vermieter einen Beamten, der ein regelmäßiges Einkommen hat und eine sichere Pension."

Wer nicht genug verdient – beispielsweise Studierende –, braucht dann oft einen Bürgen, etwa die Eltern. Das sieht Juristin Hanel-Torsch kritisch: "Es gibt ja nicht in allen Familien ein gutes Einvernehmen, oder es handelt sich um junge Menschen, die keine Eltern mehr haben. Hier werden also wieder die benachteiligt, die es ohnehin schwer haben."

Erfolgreiche Wohnungssuche

Für Hanel-Torsch ist all das ein Zeichen für eine Schieflage am Wohnungsmarkt. "Das ist ein Seelenstriptease, der da verlangt wird", sagt die Mieterschützerin. "Was kommt als Nächstes? Müssen die Kinder potenzieller Mieter probespielen, damit man beurteilen kann, ob sie zu laut sind?"

Der eingangs erwähnte Andreas J. hat schließlich damit begonnen, E-Mails an Maklerfirmen nur noch von seiner Arbeits-E-Mail-Adresse aus zu schreiben und stets die Signatur anzuhängen, "nur damit ja gesehen wird, wie seriös man ist", erzählt er. "Und bei Besichtigungen versucht man stets, das perfekte Paar zu sein, um nur ja positiv in Erinnerung zu bleiben."

Für ihn und seine Freundin hat sich das zumindest am Ende ausgezahlt: Sie haben eine Wohnung im dritten Bezirk gefunden, in die sie demnächst einziehen werden. (Franziska Zoidl, 26.12.2020)