Im Arthouse-Film "Die beste aller Welten" spielte sie eine drogenabhängige Mutter. Mit dieser Rolle begann für Verena Altenberger ein steiler Aufstieg auf der Karriereleiter.

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Ein neuer Jedermann ist in diesem Land mehr als eine Schlagzeile wert – genauso wie eine neue Buhlschaft. Groß war denn die mediale Aufregung, als Lars Eidinger und Verena Altenberger vor zwei Wochen als das neue Gespann auf dem Salzburger Domplatz vorgestellt wurden. Eidinger folgt auf Tobias Moretti, der vier Saisonen im Dienst war, Altenberger auf die Burgschauspielerin Caroline Peters, die schon nach einem Sommer den Hut nahm. Die 33-jährige Altenberger ist die erste Salzburgerin, die für diese Rolle ausgewählt wurde.

STANDARD: Als neue Buhlschaft: Wie gehen Sie mit dem Rummel um Ihre Person um?

Altenberger: Ich war froh, dass der Rummel eingesetzt hat. Damit war das Ganze endlich offiziell. Ich wusste es zwar nicht so lange wie Lars, dass ich im Jedermann spiele, aber zwei, drei Monate waren es auch. Jetzt endlich darüber reden zu dürfen und offiziell mit der Arbeit anzufangen fühlt sich gut an.

STANDARD: Es gab noch nie eine Salzburgerin, die die Buhlschaft spielt. Welches Verhältnis haben Sie zum "Jedermann"?

Altenberger: Das Stück und die Festspiele sind mit Salzburg verwachsen. Die Stadt verwandelt sich jeden Sommer um 180 Grad. Wenn der Jedermann-Ruf ertönt, ist das ein Gänsehautmoment. Insofern liegt der Jedermann in der DNA jeder Salzburgerin.

STANDARD: "Jedermann" wurde von Hofmannsthal als Gegenstück zur Moderne geschrieben. Ist dieses katholische Mysterienspiel heute nicht ein Anachronismus?

Altenberger: Das Stück ist für mich wie eine Langzeitstudie. Es ist schablonenhaft geschrieben, jede Rolle ist wie eine Art Blaupause. Jedes Jahr hat man wieder die Möglichkeit, sich zu fragen, was wir in unserer Zeit mit dem Stück erzählen wollen. Anhand des Jedermann ist der Wandel der Zeit beobachtbar. Das Stück ist somit modern und anachronistisch zugleich.

STANDARD: Was möchten Sie mit der Figur der Buhlschaft erzählen?

Altenberger: Dafür ist der Probenprozess da. Aber in der Kurzfassung gesagt: Mich interessiert an der Buhlschaft ein feministisches, emanzipatorisches Coming of Age.

STANDARD: Das müssen Sie genauer erklären.

Altenberger: Die Buhlschaft war ja schon immer eine sehr eigenständige Frau, deren Liebe offensichtlich Grenzen hat. Diese Frau liebt einen Mann, aber nicht genug, um für immer mit ihm zu gehen. Vielleicht ist es nicht die eine große Liebe, aber warum nicht? Liebe hat sehr viel mit einer Begegnung auf Augenhöhe zu tun, und wenn das beim Jedermann nicht der Fall ist, was steht dieser Ebenbürtigkeit im Weg? Es könnte damit zusammenhängen, dass der Mann einen anderen sozialen Status als sie hat, reicher, älter ist. Ich frage mich, gibt es da Abhängigkeiten? Warum interessiert einen Mann eine Frau, die nicht mit ihm auf Augenhöhe ist, warum geht die Frau eine solche Beziehung ein? Und ist die Auflösung der Beziehung letztendlich eine Chance für die Frau?

STANDARD: Die Figuren im "Jedermann" sind allegorisch. Die Buhlschaft steht für die Weiblichkeit. Wie transportiert man seine Figur ins Allgemeine?

Altenberger: Ich muss auch realistisch bleiben und mich fragen, was kann ich in der Kürze, die dieser Figur beschieden ist, überhaupt erzählen. Aber natürlich ist es mir ein Anliegen, meine Haltung und mein Frauenbild auch in dieser Figur zu transportieren.

STANDARD: Seit Jahren wird diskutiert, wie man die Repräsentanz von Frauen in Film und Theater erhöhen kann. Wie ist Ihre Sicht auf die Debatte?

Altenberger: Ich persönlich kann mich derzeit nicht beklagen, aber die Statistiken belegen nun mal, dass ich eine Ausnahme bin. Es gibt weniger Rollen für Frauen vor der Kamera, noch weniger hinter ihr. Es gibt weniger Frauen, die in Führungsebenen sind. Und dann werden Frauen auch noch schlechter bezahlt. Ich persönlich versuche, hier solidarisch für andere etwas zu verändern.

STANDARD: Auch durch Ihr Schauspiel?

Altenberger: Ja. Zum Beispiel steht auf Wikipedia, dass die Buhlschaft ein aktuelles Frauenschönheitsideal verkörpert. Wenn dem tatsächlich so wäre, dann sehe ich es als meine Aufgabe, zu sagen, dass Schönheitsideale 2021 einfach nicht mehr relevant sind. Was ist denn Schönheit? Was ist denn ein Ideal? Ich hoffe, dass wir 2021 gemeinsam noch mehr Klischees aufbrechen können.

STANDARD: Sie wollten immer Schauspielerin werden, rasselten dann aber bei der Aufnahmeprüfung am Max-Reinhardt-Seminar durch. Warum haben Sie Ihren Plan weiterverfolgt?

Altenberger: Dieses Erlebnis hat mir verdeutlicht, dass ich völlig falsche Vorstellungen hatte, was diesen Beruf ausmacht. Es hat mir meine Bildungslücken gezeigt. Diese habe ich versucht zu schließen, bin ins Theater gegangen, habe mir die vielen österreichischen Filme angesehen, habe hart gearbeitet. An der Musik- und Kunst-Uni der Stadt Wien hat es dann auch mit dem Studium geklappt.

STANDARD: Ihre Anfänge liegen im Theater, mittlerweile arbeiten Sie aber fast ausschließlich für Film und Fernsehen.

Altenberger: Das Medium ist für mich nachrangig, ich schaue mir an, welche Geschichte ich erzählen möchte, welche Rolle mich interessiert. Vor vier Jahren hat mir Regisseur Adrian Goiginger mit der Rolle seiner Mutter in Die beste aller Welten sehr viel zugetraut.

STANDARD: Sie spielen darin eine drogenabhängige, aber sehr liebevolle Mutter und haben dafür genauso wie der Regisseur zahlreiche Preise bekommen.

Altenberger: Die Rolle hat alles für mich verändert. Im Anschluss wurden mir im Film sehr viel interessantere, fordernde Rollen angeboten. Darin liegt der Grund, warum ich mich in den letzten vier Jahren immer für Filmrollen entschieden habe.

STANDARD: "Die beste aller Welten" ist ein Arthouse-Film. Sie spielen aber auch in der RTL-Sitcom "Magda macht das schon" oder im "Polizeiruf 110". Sind diese Wechsel von high zu low karrieretechnisch nicht gefährlich?

Altenberger: Für mich ist das ganz klar kein Wechsel zwischen high und low, sondern ein Wechsel der Genres. Mir macht einfach sehr viel Unterschiedliches Spaß. Und karrieretechnisch war es auf jeden Fall ein Vorteil, so vielseitig zu sein. Aber zugegeben: Mein Herz schlägt stärker fürs Drama. Jede Rolle hat jedoch ihre Qualitäten und Eigenheiten, da jeweils voll einzutauchen macht die Lust und Freude am Beruf aus. Und es wäre auch für die Seele nicht gut, zwölf Monate im Jahr abgründiges Arthouse-Kino zu drehen.

STANDARD: Jedermann Lars Eidinger kennen Sie aus der David-Schalko-Serie "M – Eine Stadt sucht einen Mörder. Wie ist das Zusammenspiel mit ihm?

Altenberger: Lars ist ein sehr viel Energie gebender, am Gegenüber interessierter Spieler. Bei M hat Lars eine für mich geradezu ideale Schauspielsituation geschaffen: große Offenheit, sehr im Moment, sich selbst und das Gegenüber überraschen lassend.

STANDARD: Die beiden letzten Buhlschaften, Caroline Peters und Valery Tscheplanowa, waren ungewöhnlicherweise jeweils nur eine Saison in Salzburg. Möchten Sie Ihre Sommer längerfristig in Salzburg verbringen?

Altenberger: Gewöhnlich bin ich niemand, der etwas zehn Jahre lang machen möchte.

(Stephan Hilpold, 19.12.2020)