Nun könnte sich das Blatt wenden. Mittwoch veröffentlichte Michael Jeannée einen flammenden Appell zum Thema Impfung.

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Politiker investieren auf Kosten der Steuerzahler viel Geld in Boulevardmedien, weil sie glauben, das helfe ihnen. Am meisten investieren sie, wie diese Woche im "Falter" zu lesen war, zum Leidwesen von Wolfgang Fellner in die "Kronen Zeitung". Dafür, ob sich das für besagte Politiker auszahlt, ist demnächst eine Probe aufs Exempel fällig. Bekanntlich sinkt die Zahl der Landsleute, die sich gegen Corona impfen lassen wollen, ständig. Nun könnte sich das Blatt wenden. Mittwoch veröffentlichte Michael Jeannée einen flammenden Appell zum Thema. Ich lass mich impfen!Ich soll mich nicht impfen lassen, aus Angst vor Nebenwirkungen? Halsweh, Durchfall, geröteter Arm und Müdigkeit?? Mir doch völlig egal. So viel Gleichgültigkeit dem eigenen Körper gegenüber verdient Nachahmung, und schon bald werden verantwortliche Politiker an den Impfzahlen ablesen können, ob sich ihre Investition lohnt. Wenn Jeannée nicht hilft, hilft nichts mehr.

Grund zur Klage

Bei den öffentlichen Inseraten, also denen, die Politiker vergeben, liegen wir hinter "Krone" und "Heute" mit deutlichem Abstand nur auf Platz drei, hatte Fellner in seinem Interview mit dem "Falter" Grund zur Klage. Das hält ihn aber nicht davon ab, großzügig die Wissenschaft zu fördern, da könnte sich die "Krone" etwas abschneiden. So hat er schon oft über die Leistungen des Genetikers Josef Penninger berichtet, der mit dem Auftauchen des Coronavirus melden konnte: Vor 22 Jahren haben wir im Zuge der Forschung an Fruchtfliegen-Herzen ACE entdeckt und schon 2005 erkannt, dass dieses Enzym die essenzielle Tür ist, die das SARS-Virus von 2002 zur Infektion benützen muss. Als der "Bruder" SARS-CoV-2 zu einer Pandemie führte, wussten wir, dass wir es weiterentwickeln müssen. Immerhin, wir testen es zurzeit – 2020 – an schwer erkrankten Patienten, während andere Forscher Impfstoffe bereits auf dem Markt haben.

"gesund&fit-Award"

Vielleicht um Penningers Forschung zu beschleunigen, wurde diesem von Fellner der beflügelnde "gesund&fit-Award" verliehen, und in "Österreich am Sonntag" interviewte Wolfgang-Sohn Niki den Forscher unter dem Titel Josef Penninger: "Die Tür für das Virus blockieren". Um eine Tür für Penninger zu öffnen, brachte "Österreich Insider" zur Wochenmitte das Interview wortwörtlich noch einmal, nur hieß der Interviewer nicht mehr Niki, sondern Insider. Man will sich ja nicht wiederholen.

In der "Presse" holte sich der Heilige Vater eine verdiente Abreibung. Die Krippe auf dem Petersplatz, sagte Papst Franziskus, schaffe "eine weihnachtliche Atmosphäre, die dem Glauben an dasMysterium der Geburt des Erlösers förderlich ist", erteilte er dem Werk von Angehörigen der staatlichen Kunstakademie seinen Segen. Nicht den Segen erhielt sie vom "Presse"-Kolumnisten Karl-Peter Schwarz, der unter Berufung auf soziale Medien zu dem Urteil gelangte, dass diese Krippe aus ästhetischen Gründen inakzeptabel sei. Es handle sich um die Folgen des Einbruchs der Moderne und der zunehmenden Anpassung der Kirche an den Zeitgeist.

Sobotka bastelt eine Krippe

Das kann der Krippe nicht passieren, die Wolfgang Sobotka für die "Krone bunt" basteln durfte. Eine Spanplatte, darauf Pappmaché-Hügel aus dem Papier einer alten FAZ, in der getrocknete Hortensien aus dem eigenen Garten stecken. Mittlerweile stehen auch schon Esel, Ochs und Heilige. Den Umgang mit ihnen kennt er aus seinem politischen Alltag. Das wäre ein Wohlgefallen in den Augen des Herrn Schwarz.

Gratiszeitungen

Oben erwähnter Niki the Insider Fellner kam an der Seite seines Vaters im "Falter" zu Wort, als das Blatt überflüssigerweise bei diesen beiden nach der Antwort auf die Frage suchte: Handeln sie noch mit Informationen oder machen sie bloß Gegengeschäfte? Die Antworten der beiden erlauben die Diagnose, dass Boulevardjournalismus in Österreich eine Erbkrankheit darstellt, die in männlicher Linie weitergegeben wird und sich in Wahnvorstellungen äußert wie: Alle Zeitungen hier in diesem Land sind in Wahrheit Gratiszeitungen. Weil das Zustellen genauso viel kostet wie das Abo. Oder: Genauso wie es keine Gratismedien gibt, gibt es diese Unterscheidung zwischen Qualitätsmedien und Boulevardmedien nicht. Wer sie trifft, spinnt, denn Qualitätszeitung ist ein überholter Begriff. Bei digital unterscheidet niemand mehr, ist er auf der Seite vom "Standard", auf oe24, auf Bild.de oder auf Spiegel.de.

Echt? Bei Opfern solcher Zwangsneurosen hilft Zureden nicht. Sie wären aber rasch geheilt, würden weniger eitle Politiker öffentliche Millionen an mehr binden als an persönliches Interesse. (Günter Traxler, 19.12.2020)