Wer großflächigen Schimmel in der Wohnung hat, braucht die Hilfe eines Profis.

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Wenn es draußen kälter wird, entstehen in vielen Wohnungen pelzige Flecken an den kälteren Außenwänden. In vielen Fällen kommt es dann auch zu Schuldzuweisungen zwischen Mietern und Vermietern.

Beide Seiten sind überzeugt: Schuld hat der andere. Antworten können Sachverständige wie Andreas Perissutti geben, die in solchen Fällen anrücken. Just am Tag des Telefonats mit dem STANDARD hat er, wie es der Zufall so will, "Schimmeltag" und ist mit einem Hygrometer, einem CO2-Messgerät und einer Infrarot-Thermo-Kamera von Wohnhaus zu Wohnhaus unterwegs, um den Schimmelbefall in Wohnungen auf den Grund zu gehen.

Kondenswasser am Fenster

Aus Erfahrung weiß er: "In mehr als 90 Prozent der Fälle ist der Schimmel wohnbedingt und nicht baulich bedingt." Die Bewohnerinnen und Bewohner tauschen ihre verbrauchte Raumluft nicht oft genug aus, lüften also nicht ausreichend. Und wo die Luftfeuchtigkeit dauerhaft zu hoch ist, wächst der Schimmel. Auch Sauberkeit spielt laut Perissutti eine Rolle: Auf Staub findet der Schimmel einen besonders guten Nährboden.

Kondenswasser am Fenster ist für Perissutti ein erstes Zeichen dafür, ob zu wenig gelüftet wird. Die alten Zweischeibengläser dürfen an sehr kalten Tagen am Rand kondensieren, bei moderner Dreischeibenverglasung darf es innen nie Kondenswasser geben, berichtet er. In manchen Fällen gebe es aber so viel Kondenswasser an den Fenstern, dass es nach unten rinnt und die Wand und den Parkettboden beschädigt.

Auch der Bausachverständige Remeco Rainer Reichel hat derzeit jeden Tag mehrere Begehungen von Wohnungen, in denen es Schimmelprobleme gibt. Er betont, dass sich in den letzten Jahrzehnten auch die Bausubstanz geändert habe. Während man in einem Altbau so gut wie nie lüften musste, weil es durch die undichten Fenster einen ständigen Luftaustausch gab, gebe es nun "superdichte Häuser".

Problem Baurestfeuchtigkeit

"Wer von einem Altbau in einen Neubau zieht, muss sein Lüftverhalten komplett umstellen", betont Reichel. Besonders schwierig wird es in einem alten Gebäude, wo zwar die Fenster erneuert wurden, aber kein Vollwärmeschutz auf die Fassade kam: Dann dichten die Fenster zwar ab, aber die Wände sind kalt. "Und dass man in solchen Gebäuden alle paar Stunden lüftet, ist den Nutzern sicher nicht zumutbar", so Reichel.

Ein häufiges Problem ist auch, dass es in Neubauten eine Baurestfeuchtigkeit gibt, die in einem oder zwei Jahren durch vermehrtes Lüften ausgetrocknet werden muss. "Aber Menschen, die frisch einen Neubau beziehen, werden entweder nicht richtig unterwiesen oder sie missachten die Anweisungen", kritisiert der Sachverständige Perissutti.

Schimmel hinter Möbeln

Schimmel wird auch in Bestandsgebäuden zum Problem, in denen über längere Zeit nicht oder zu wenig gelüftet wird. Wenn die wohnbedingte Feuchtigkeit, die etwa durch Atmen, Kochen oder Duschen entsteht, lange nicht abgeführt wird, lagert sie sich in Möbeln und Putz ab. Irgendwann ist dieses Feuchtigkeitsdepot voll, dann steigt nach dem Lüften die Luftfeuchtigkeit sofort wieder sprunghaft an. "Ich sage dann immer: 'Sie haben sich einen Zustand wie in einem noch feuchten Neubau gezüchtet'", sagt Perissutti.

Um diese eingenistete Überschussfeuchte wieder loszuwerden, müsse man solche Wohnungen ein bis zwei Winter mehr als üblich lüften. Manchmal ist die Luft im Wohnraum auch in Ordnung, aber es schimmelt trotzdem hinter Möbelstücken, die an den Außenwänden stehen. Perissutti erklärt dass diese "quasi als dicke Innendämmung" fungieren und die Wandoberfläche stark abkühlen.

Häufiger Fehler: Stundenlanges Kippen

Auch das richtige Lüften will gelernt sein. Das wurde vor einigen Monaten auch in einem Artikel im "Guardian" thematisiert, wo es um die angebliche deutsche Besessenheit mit der Frischluft im Wohnbereich ging. Ein häufiger Fehler ist, dass ein Fenster stundenlang gekippt wird. "Das ist ganz falsch", sagt Remeco Rainer Reichel. "Damit wird die Fensterlaibung ausgekühlt, die Luftfeuchtigkeit aber trotzdem nur gering gesenkt, da kein nennenswerter Luftaustausch erfolgt."

Perissutti übt das Lüften mit den Bewohnerinnen und Bewohnern von Wohnungen mit Schimmelbefall: "Man muss herausfinden, wie man den effizientesten Luftaustausch zusammenbringt." Das sei je nach Lage der Fenster unterschiedlich. Am besten funktioniere Querlüften; schwierig sei das Lüften bei Fenstern, die nur an einer Hausseite aneinander gereiht sind. "Dann nutzt es aber oft, wenn man die Tür ins Stiegenhaus aufmacht, damit man einen Luftzug zusammenbringt", sagt er.

Hilfreich könne auch sein, sich ein Hygrometer anzuschaffen, mit dem man die Luftfeuchtigkeit misst. Ein Richtwert: Bei 22 Grad Raumtemperatur sollte diese dauerhaft nicht über 45 Prozent liegen.

Änderung des Wohnverhaltens

Aber was tun, wenn der Schimmel schon da ist? Erst einmal: keine Panik. Ein geringfügiges Schimmelproblem – etwa am unteren Fensterrand – kann man alleine entfernen. Dabei sollte man zu 70-prozentigem Alkohol greifen. Bei größerem Befall sollte man sich zumindest den Rat eines Profis holen, bei flächigem Wachstum brauch man professionelle Hilfe.

Der ärgste Befall, der Remeco Rainer Reichel jemals untergekommen ist, war ein Wasserschaden in einem leerstehenden Gründerzeithaus. Auf einer Wohnfläche von 50 Quadratmetern waren insgesamt 120 Quadratmeter an Boden-, Wand- und Deckenflächen mit pelzigem Schimmel bedeckt. "Da sind schon die Fruchtkörper rausgewachsen", erzählt er.

Die gute Nachricht: Wächst der Schimmel aufgrund des Wohnverhaltens, kann man ihn auch wieder loswerden. Und das ist im Grunde gar nicht so schwer. "Es funktioniert mit normalem Fensterlüften und üblichem Wohnverhalten", sagt Perissutti. (Franziska Zoidl, 1.1.2021)