Querdenkertante.

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Schon jetzt macht sich ein mulmiges Gefühl breit, weil Sie befürchten, beim Weihnachtsessen in ein unangenehmes Gespräch mit der Corona-verharmlosenden Schwester gezogen zu werden? Ihre Eltern schicken in letzter Zeit Links zu dubiosen Youtube-Videos?

Einfache Erklärungen entlasten manche Menschen in einer derart unübersichtlichen Zeit, sagt die Psychologin Christine Priesner. Oft würden dann allerdings Schuldige gesucht, was niemandem helfe. Es ist gut, sich bereits im Vorhinein auf kritische Situationen vorzubereiten.

Doch nicht immer ist es einfach, gegen Scheinfakten zu argumentieren. Jemand ist nicht gleich in die Welt der Verschwörungstheorien abgerutscht, nur weil er oder sie verunsichert ist. Doch man sollte wissen, wo die Welt der Argumente endet und die der reinen Beziehungsarbeit beginnt. Wir liefern Denkanstöße für heikle Gespräche während der Feiertage.

"Ach, Kinder sind kein Problem. Die sind doch keine Überträger des Coronavirus."

Wohl noch auf einer unteren Eskalationsstufe, aber nicht minder problematisch ist ein Corona-Mythos, der am Weihnachtstag spätestens aufkommen könnte, wenn Oma und Opa zur Begrüßung durch die Türe schreiten: Die Kinder, die noch mit großen Augen auf das Christkind warten, seien nicht ansteckend. Deshalb könnten Großeltern ihre Enkelkinder ruhig so richtig drücken, immerhin haben sie sie schon länger nicht mehr gesehen.

Doch das ist ein Irrtum. "Kleinkinder sind zwar weniger ansteckend als Erwachsene", sagt der Public-Health-Experte Hans-Peter Hutter. "Sie tragen aber eine gewisse Viruslast in sich, sollten sie positiv sein, sie sind also sehr wohl ansteckend." Die bekannten Abstandsregeln gelten also auch hier. Sollte sich eine Umarmung nicht vermeiden lassen, sollte diese möglichst kurz mit voneinander abgewandten Gesichtern passieren.

Bei Kindern ab 14 Jahren gilt allerdings noch größere Vorsicht. Da ist die Ansteckungsgefahr so hoch wie bei Erwachsenen. Im Großen und Ganzen empfiehlt es sich, das Weihnachtsfest so klein wie möglich zu halten – und es dafür nächstes Jahr nachzuholen.

"Das Coronavirus ist doch harmlos. Ich kenne viele, bei denen es wie eine leichte Verkühlung war."

Wie bei nahezu jeder Krankheit können Menschen unterschiedlich stark betroffen sein. Man hat eine höhere Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs, wenn man älter ist und Vorerkrankungen aufweist. Doch umgekehrt ist junges Alter kein Freibrief – als Beweis dienen zahlreiche dokumentierte schwere Krankheitsverläufe von Menschen ohne jegliche Vorerkrankung.

Gerade bei diesem Thema ist immens viel Desinformation im Umlauf. Vielen ist nicht bewusst, dass mitunter auch gravierende Langzeitfolgen drohen. Oft können ruhige Gespräche Aufklärung bewirken. Es sei auf jeden Fall sinnvoll, heikle Themen nicht während des Essens zu besprechen und sich gemeinsam auf eine geeignete Zeit für eine Diskussion zu verständigen, rät Psychologin Priesner. Gut ist auch, einen Endpunkt zu definieren.

"Ich lasse mich nicht impfen, ich hätte bei einer Ansteckung eh nur einen milden Verlauf."

Naturgemäß härtere Fronten gibt es just bei dem Thema, mit dem die Politik auf der ganzen Welt das Coronavirus eindämmen will: beim Impfen. Seit Wochen hitzig diskutiert wird, ob eine Imfpflicht bei einer Pandemie dieses Ausmaßes nicht klug wäre. Dem gegenüber steht die Ansicht, dass es jeder und jedem freistehen sollte, ob sie oder er sich von der Nadel piksen lassen will. Da bald auch in Österreich ein Impfstoff gegen das Coronavirus verfügbar sein soll, können Wortgefechte beim Geschenkeauspacken unterm Christbaum durchaus vorkommen.

FPÖ-Chef Norbert Hofer (FPÖ) meinte in der "Presse", dass er sich nicht impfen lassen wolle, weil er ein gutes Immunsystem habe und die Krankheit gut verkraften würde.

Hofer ging also davon aus, dass Covid-19 bei ihm in jedem Fall mild verlaufen würde. Da sollte man einschreiten. "Man weiß vorher nicht, ob man einen milden Verlauf haben wird", sagt Hutter. "Es gab auch pumperlgsunde junge Erwachsene, die schwer erkrankt sind und lange Zeit für die Genesung brauchten."

"Das Coronavirus wurde in einem Labor als Biowaffe hergestellt."

Praktisch seit Anbeginn wird diese Pandemie von einem Gerücht begleitet, das sich in diesen ungewissen Zeiten in manche Köpfe geradezu hineingefressen hat. Es folgt dem Gefühl, dass hinter dem Coronavirus ein größerer Plan stecken könnte, ja dieses, künstlich hergestellt, gar in einem Labor in China seinen Anfang genommen haben soll, um als Biowaffe genützt zu werden. Gelegentlich wurde anfangs auch behauptet, die USA steckten dahinter, was man – so wurde behauptet – daran erkennen könne, dass dort fast keine Fälle zu finden seien.

Die Erkenntnisse der Wissenschaft widersprechen dieser verschwörungstheoretischen These. Die Beschaffenheit des Virus lege es nahe, dass es auf natürlichem Wege entstanden sei. Man geht davon aus, dass das Coronavirus über einen tierischen Wirt – und eventuell noch über eine Zwischenstation – auf den Menschen übersprang und vielleicht erst dort zu einem gefährlichen Krankheitserreger wurde.

"Bill Gates hat das Coronavirus erfunden und will allen Mikrochips einpflanzen."

Manche Corona-Mythen sind in sich abgeschlossen. Spätestens ab diesem Punkt sind sie als lupenreine Verschwörungstheorie zu sehen. Dann macht es keinen Sinn mehr, nach Gegenbeweisen zu suchen. Wichtig ist dann, den Kontakt zu der Person möglichst aufrechtzuerhalten und zu signalisieren: "Du bist mir wichtig, ich möchte die Beziehung zu dir halten, auch wenn wir bei dem Thema auf keinen grünen Zweig kommen."

So kann man vielleicht verhindern, dass der oder die Verwandte, den oder die man ja eigentlich gerne mag, noch mehr ins Verschwörungstheoretikermilieu abdriftet. Die Strategie sollte man aber unbedingt nur so lange verfolgen, wie es das eigene Nervenkorsett zulässt. Oft hilft auch ein Ratschlag von Beratungsstellen. (Vanessa Gaigg, Jan Michael Marchart, 20.12.2020)