"Die größte Frage ist, wie sich Europa künftig im All positionieren will", sagt Aschbacher.

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Europa soll künftig eine größere Rolle im Weltraum spielen, wenn es nach Josef Aschbacher geht. Der gebürtige Tiroler, der seit 1989 bei der Europäischen Weltraumorganisation (Esa) arbeitet und derzeit deren Erdbeobachtungsprogramm leitet, ist am Donnerstag zum neuen Chef der Esa bestellt worden. Im Juli 2021 wird er den amtierenden Generaldirektor Jan Wörner ablösen. Seine genauen Pläne für die Zukunft der europäischen Raumfahrt werde er erst nach Amtsantritt bekanntgeben, sagte Aschbacher am Freitag bei einer Pressekonferenz mit Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) in Wien. Das Ziel sei aber, die Esa auf eine neue Stufe zu heben.

STANDARD: Sie haben heute in Ihrer ersten Pressekonferenz als designierter Esa-Chef gesagt, Sie wollen die europäische Weltraumorganisation näher an das Niveau der Nasa heranbringen. Wie soll das gelingen?

Aschbacher: Europa ist als wirtschaftliche und politische Macht enorm bedeutsam, im Weltraum sind die Initiativen und Investitionen aber nicht von vergleichbarer Größe etwa mit den USA und China. Bei der strategischen Bedeutung, die der Weltraum als Wirtschaftsfaktor und Quelle der Faszination und Innovation hat, kann Europa einiges nachholen. Was ich erreichen will, ist, mit der Europäischen Kommission und unseren Mitgliedsländern eine Diskussion zu starten, wie sich Europa mittel- bis langfristig im Weltraum positionieren will – sprich in den nächsten zehn bis 20 Jahren.

STANDARD: Die Esa zählt 22 Mitgliedsstaaten, die in ihre Entscheidungen eingebunden sind. Macht es diese Struktur schwierig, visionäre und vor allem teure Zukunftsentscheidungen zu treffen?

Aschbacher: Das würde ich nicht sagen. Natürlich ist die europäische Struktur durch die Interessen der einzelnen Mitgliedsländer geprägt, aber auch in Amerika ist nicht alles so homogen und einfach, wie man oft glaubt. Auch dort gibt es sehr unterschiedliche Interessen, die aufeinander wirken. Ich will aber schon sagen, dass Europa sehr wettbewerbsfähig ist. Die europäische Industrie und die Esa müssen vielleicht aufgrund der weniger verfügbaren finanziellen Ressourcen mit weniger Geld mehr machen, aber das schaffen wir sehr gut. Der Satellitenbereich, gerade in der Erdbeobachtung, ist ein gutes Beispiel dafür.

STANDARD: Europa ist in der Erdbeobachtung ganz vorn. In anderen Bereichen, etwa was Trägerraketen betrifft, hinkt die Esa aber anderen Playern im All hinterher. Wollen Sie das ändern?

Aschbacher: Die Esa ist eine der wenigen Agenturen weltweit, die alle Bereiche abdecken – von Raketen über Erdbeobachtung bis zur astronautischen Raumfahrt. Natürlich ist es unsere Ambition, in allen einzelnen Domänen exzellent zu sein. Über den Bereich der Trägersysteme wird derzeit viel reflektiert, leider gab es neulich den Vega-Fehlstart (eine mit zwei Satelliten beladene Vega-Trägerrakete war im November vom Kurs abgekommen und verlorengegangen, Anm.). Das zeigt einfach auch, dass Raumfahrt ein riskantes Business ist. Aber ich würde das nicht überbewerten. Die größere Frage, die wir uns stellen müssen, ist, wie sich Europa künftig positionieren will.

STANDARD: Die Nasa setzt inzwischen stark auf private Player wie Space X. Wie bewerten Sie die zunehmende Kommerzialisierung im All?

Aschbacher: Die Kommerzialisierung ist sicher einer der großen Paradigmenwechsel in der Raumfahrt. Darauf müssen wir uns auch in Europa stark einstellen, das werde ich mit der Esa sehr intensiv angehen. Wir müssen mehr des Geistes von Silicon Valley in Europa einführen, wir brauchen Zugang zu Venture Capital, schnellere Entscheidungen und mehr Appetit darauf, Risiken einzugehen. Wir werden uns sicher ansehen, was wir aus der amerikanischen Erfahrung lernen können, aber wir müssen eine eigene europäische Lösung finden.

STANDARD: Was wünschen Sie sich für die astronautische Raumfahrt?

Aschbacher: Wir haben gerade erst diskutiert, wie man die Rekrutierung der nächsten Astronauten bewerkstelligen soll, das wird im nächsten Jahr passieren. Astronauten haben eine enorme gesellschaftliche Sichtbarkeit, und da wollen wir auch verstärkt investieren, um sie für die Zwecke der Forschung und Entwicklung einzusetzen, aber eben auch als Botschafter und Vorbilder, die andere Menschen inspirieren.

STANDARD: Wie könnte Österreich seine Rolle in der Raumfahrt künftig ausbauen?

Aschbacher: Österreich ist ein kleines, aber wichtiges Land. Die Weltraumtechnologie, die hier entwickelt wird, ist wirklich gut, die Qualität wird international geschätzt. Die Basis der Ausbildung, der Wissenschaft und die Ingenieurskapazitäten sind exzellent in Österreich. Man muss da nur ein bisschen mehr Druck dahinter setzen und fördern, damit das zur Entfaltung kommt. (David Rennert, 18.12.2020)