Ausblick auf 2021 für die Etat-Prognose: Regissseur Harald Sicheritz.

Foto: Vered Adir Illustration: Armin Karner

Harald Sicheritz ("Vorstadtweiber", "Tatort", "Bad Fucking") im Etat-Fragebogen zur Medienprognose 2021

Was erwarten Sie von 2021 für Österreichs Medienbranche? Was sind Ihre Hoffnungen und Wünsche, was Ihre Befürchtungen? http://derStandard.at/Etat hat Medienmanager*innen, Journalist*innen und Expert*innen aus Österreichs Medien- und Kommunikationsbranche und -wissenschaft mit einem Online-Fragebogen um ihre Beiträge gebeten.

Sie konnten wählen, ob sie namentlich antworten, wenn wir sie zitieren dürfen, oder anonym. Die namentlich beantworteten Fragebögen veröffentlichen wir nun in den nächsten Tagen.

"Muss permanent verkündet werden, dass es keine alternativen Fakten gibt"

Hier die Antworten von Regisseur Harald Sicheritz:

Was kommt 2021 auf die Medienbranche zu? Bitte verraten Sie uns Ihre Erwartungen zu Entwickungen, Herausforderungen....

"Wir aufrechten Demokratinnen und Demokraten haben den schleichenden Übergang der Informations- in eine Kommunikationsgesellschaft schlicht und einfach verschlafen. Die einzige Chance der Medienbranche auf ein Überleben in Würde liegt darin, 'Recherche' und 'Quelle' wieder den Wert zu geben, der für diese Begriffe mühevoll erkämpft wurde."

Was sollte 2021 (aus Ihrer Sicht auf die Medienbranche) geschehen? Bitte verraten Sie uns Ihre Hoffnungen (und warum Sie darauf hoffen).

"Ich hoffe, dass es gelingen wird, den 'Journalismus' wieder als einen hart zu erlernenden, in funktionierenden Demokratien systemtragenden Beruf im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verankern. Es muss permanent verkündet werden, dass es keine 'alternativen Fakten' gibt. Ich halte das für möglich, weil gerade in Krisenzeiten sehr vielen Menschen die Sehnsucht nach zuverlässigen Fakten von der Seele ins Hirn kriecht."

Was sollte 2021 (aus Ihrer Sicht auf die Medienbranche) nicht passieren? Bitte verraten Sie uns Ihre Befürchtungen (und warum Sie das befürchten).

"Es darf nicht passieren, dass die letzten Bastionen der Medienbranche, die noch irgendeiner journalistischer Ethik verpflichtet sind, von den lauten Horden der gewissenlosen Marktschreierinnen und Marktschreier überrannt werden. Es ist zu befürchten, dass die Geldmächtigen alles tun werden, um notwendige Maßnahmen wie die Demetrifizierung in den 'sozialen' Medien zu verhindern."

Wie werden sich Covid-19, die Pandemie und die Maßnahmen dagegen auf die Medienbranche auswirken – 2021 und, wenn Sie das erwarten, auch in den Jahren danach?

"Demokratinnen und Demokraten werden wachsam sein müssen – den Anfängen der Bürgerrechtsbeschneidung konnte man in der pandemischen Überrumpelung nicht wehren, also muss man sie, wo auch immer möglich, beenden. Das aus Unwissen und Angst entstandene Misstrauen der Bevölkerung gegen großartige Zivilisationsleistungen wie zum Beispiel Impfungen muss abgebaut werden. Für beides wird lang zu kämpfen sein."

"Nicht Menschen wie Mateschitz anstarren wie das Kaninchen vor der Schlange"

Weitere Antworten von Harald Sicheritz zu unseren Detailfragen im Überblick:

  • Sicheritz rechnet mit einer Verlängerung von Alexander Wrabetz als ORF-Chef. Über weitere ORF-Besetzungen 2021: "Das wissen selbst die Menschen auf der offiziellen Kandidatinnen- und Kandidatenliste erst nach der Entscheidung. Da gibt es bekanntlich auch noch Überraschungen in letzter Minute."
  • Auch mit einer Digitalnovelle für den ORF rechnet Sicheritz. Was springt da medienpolitisch für die anderen heraus? "Je nach politischer und ökonomischer Macht werden die anderen Player sich über größere und kleinere Zugeständnisse freuen dürfen."
  • Sicheritz rechnet mit zehn Prozent GIS-Erhöhung mit 2022.
  • Eine Digitalmedienförderung sei 2021 zu erwarten, sie fördere "... klarerweise Dinge, die der Regierung wichtig und angenehm sind".
  • Der Regisseur spricht sich für Qualität und Beteiligung am Presserat als Kriterien für Medienförderung und öffentliche Inserate aus.
  • Wen wird der Presserat 2021 am häufigsten verurteilen? "Mit Ausnahme von STANDARD, 'Profil' und ORF bekleckern sich bekanntlich alle gern mit Unseriositäten und Indiskretionen."
  • Wie geht es 2021 mit Dietrich Mateschitz' Red-Bull-Medienwelt weiter? "Mir fehlt zur Beantwortung das Detailwissen. Ich finde es aber nicht zielführend, einen Mann wie Mateschitz anzustarren wie das Kaninchen die Schlange. 'Besser und dadurch wirksamer sein' ist immer die richtige Strategie."
  • Österreich werde wohl in der Weltrangliste der Pressefreiheit (Reporter ohne Grenzen) seinen 18. Platz aus dem Vorjahr behalten. "Mit etwas Gefühl für Zahlen (kann man im Pandemie-Bewerb gut trainieren) ist klar, dass die Kriterien der Weltrangliste auch anders erhoben werden könnten. Meines Wissens sind kleine, spezielle Kosmen wie Österreich mit Gauss'scher Methode sowieso schwer aussagekräftig zu erfassen."
  • Journalistische "Arbeitsbedingungen werden noch schlechter. Wie bei der Kunst können Staat und Kapital auch bei den Medienmenschen davon ausgehen, dass es kaum zu dauerhafter Solidarität kommen wird."
  • Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten "werden zunehmen – bis es gelingt, die Organisierten unter den Fake-News-Fans bloßzustellen. Das klingt utopisch, kann aber recht schnell gehen – die namhaften Unterstützerinnen und Unterstützer des Wahlverlierers Trump verschwanden zum Beispiel viel schneller als erwartet. Opportunismus rules, nicht nur bei Fox News."

Eine Gesamtauswertung, den kompletten Fragebogen sowie weitere Fragen und Antworten von Teilnehmerinnen und Teilnehmern finden Sie in diesen Tagen im Schwerpunkt zur Etat-Prognose 2021, sie werden nun laufend veröffentlicht.

(Harald Fidler, Daniela Yeoh, 24.12.2020)