Neuigkeits Welt Blatt vom 21. Dezember 1926

Der Richtige "Goldene Sonntag"

Großer Andrang - große Umsätze - Riesengedränge Kauflustiger in den Straßen

Wien, 20. Dezember
Das war gestern wieder einmal ein richtiger "goldener Sonntag", der seinen Namen mit Recht getragen hat. In den Geschäftsstraßen Wiens drängten sich die Leute dank dem guten Wetter, das zwar winterlich kalt, aber trocken war, in Scharen und man konnte die Beobachtung machen, daß es nicht nur Schaulustige waren und Leute, die die Freude an dem "Wirbel" hinausgelockt hatte, sondern zum Großteil kauflustiges Publikum, das den 'goldenen Sonntag' tatsächlich, wie es eigentlich seine Bestimmung ist, für Weihnachtseinkäufe benützte.
Wenn sich die Einkäufe auch meistens nur in bescheidenem Rahmen bewegten - man kaufte fast nur Gebrauchsgegenstände und nützliche Weihnachtsgeschenke - so war doch zu bemerken, daß Geld unter den Leuten war, beziehungsweise durch die fast allgemein um Monatsmitte ausgezahlten Weihnachtsremunerationen unter sie gekommen war!

Von allen Geschäftsstraßen Wiens war natürlich wie immer die Mariahilferstraße die eigentliche Straße des "goldenen Sonntags".
In ihr konnte man durch Stunden hindurch nur schrittweise vorwärtskommen. Zu den größeren Warenhäusern, wie zum Beispiel Gerngroß, mußte wiederholt der Zutritt polizeilich gesperrt werden, da die Geschäftsräume die Massen der Einkäufer nicht mehr fassen konnten. Außerdem mußte der Pferdefuhrwerksverkehr von der Mariahilferstraße abgelenkt werden, da die Massen des Publikums immer wieder die ganze Breite der Straße einnahmen, so daß nur die Straßenbahn, und diese mit knapper Mühe, fahren konnte.

Aber auch in den Geschäftsstraßen der Vorstädte, wie Fünfhaus, Meidling, Döbling und Währing ging es lebhaft genug zu und der goldene Sonntag hat auch diesen Geschäftsleuten guten Umsatz gebracht. Hier waren übrigens auch die Christbaumhändler zufrieden.

Auf den großen Christbaummärkten am Yppenplatz und in Rudolfsheim wurden Hunderte von Bäumen verkauft, wobei der heurige billige Preis der Bäume ausschlaggebend war. Auf eine Umfrage bei den einzelnen größten Wiener Warenhäusern bekommt man durchwegs zufriedenstellende Antworten. Die Kaufleute haben im Gegensatz zum vorigen Jahr diesmal ein gutes Geschäft gemacht, wenn sich das Publikum auch nur mit bescheidenen Einkäufen begnügte.

Neues Wiener Journal vom 21. Dezember 1926

Eine Dampfkatastrophe auf dem Hudson 

Mit Eismassen zusammengestoßen. – Vierzig Todesopfer.

New York, 20. Dezember (Privattelegramm des "Neuen Wiener Journals")
Heute vor mittag ereignete sich auf dem Hudson ein furchtbares Unglück. Infolge des starken Eistreibens kenterte ein mit hundert Personen besetzter Passagierdampfer. Alle hundert Menschen stürzten ins Wasser. Man vermutet, daß vierzig Personen den Tod gefunden haben. Vierundzwanzig Personen mußten mit schweren Erkältungserscheinungen ins Krankenhaus gebracht werden.

Es handelt sich um ein Schiff, das eine Anzahl Arbeitssuchender nach einer Fabrik New-Jerseys bringen sollte. Die Leute auf dem Landungssteg, die das Schreien der Insassen des Schiffes hörten, glaubten zunächst, daß es nur freudige Ausrufe über die Aussicht auf Arbeit seien. Dadurch wurde die Rettungsaktion verzögert. Erst nach mehreren Minuten bemerkte man, daß der Dampfer gekentert war und konnte erst dann den Verunglückten zu Hilfe eilen.

Nach einer anderen Darstellung hat der Umstand, daß die Leute vor der Abfahrt auf dem Dampfer sangen, dazu beigetragen, daß die Rettungsversuche nur langsam einsetzten. Die Leute am Ufer, die die Schreie der Ertrinkenden hörten, schenkten ihnen zunächst keine besondere Beachtung, da sie annahmen, daß die Leute auf dem Schiff ihren Gesang fortsetzten.

Der Tag vom 21. Dezember 1926

Muttersöhnchen

Jugendgericht

Vor Gericht stand der 14jährige Praktikant Walter wie ein Waserl. Aber einem Schaffner, der ihn aufmerksam machte, daß seine Streckenkarte ungültig sei, sagte er.
"Machen Sie sich nicht an" und beschimpfte ihn.
Dem Wachmann, der ihn aufforderte abzusteigen, drohte er: "Ich werde Ihnen schon etwas anschauen lassen, halten Sie's Maul." Auch gab er ihm einen Stoß in den Bauch.

Vor der Entrüstung des angesammelten Publikums mußte ihn der Wachmann in Schutzhaft nehmen und auch noch auf dem Weg zum Kommissariat schimpfte der Kleine und wehrte sich.

Der Richter verurteilte den Lausbuben, dessen Verhalten die Folge einer schlechten und unvernünftigen Erziehung sein soll, wegen öffentlicher Gewalttätigkeit und Amtsehrenbeleidigung bedingt zu sechs Wochen strengen Arrests.

Salzburger Chronik für Stadt und Land vom 21. Dezember 1926

Das schönste Weihnachtsgeschenk für die Hausfrau – ist ein Gasherd!

ANNO | Österr. Nationalbibliothek

(Kurt Tutschek, 21.12.2020)

Tutscheks Zeitreiseadventkalender