"Lange geht's nicht mehr." Ayan redet auf die Frage, wie es ihm geht, nicht lange um den heißen Brei herum. In wenigen Tagen wird der Uber-Fahrer arbeitslos sein. Bereits die vergangenen Monate seien aufgrund der Ausgangsbeschränkungen alles andere als rosig gewesen, erzählt er. Die Brille des Mannes, der eigentlich anders heißt, läuft hinter der OP-Maske an, wenn er spricht. "Ab Jänner bin ich beim AMS, oder ich suche mir eben was anderes."

Der Auslöser für Ayans Frust liegt auf seinem Armaturenbrett und ist mit einer Plastikspirale zusammengebunden. Das Skriptum für die Taxilenkerprüfung bereitet dem Mittfünfziger Kopfzerbrechen, denn ohne bestandene Prüfung darf er ab Neujahr keine Fahrgäste mehr chauffieren. Grund dafür ist die Novelle des Gelegenheitsverkehrsgesetzes, die unter anderem vorsieht, dass Mietwagenfahrer – etwa von Bolt oder Uber – ab Jänner einen Taxischein besitzen müssen.

Wiener Taxler demonstrieren gegen die US-Konkurrenz. Ob sie die Gewinner sind, ist noch nicht absehbar.
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Neu ist diese Ankündigung nicht, heißt es bei der Wiener Taxi-Innung. Bereits im Vorjahr gab es eine entsprechende Ankündigung, die Mietwagenfahrer hätten genügend Zeit gehabt, den Schein zu machen. Doch offenbar hat ein Großteil der Fahrer das nicht getan: Zwar ist heuer – zumindest in Wien – die Zahl der Prüfungsanträge deutlich gestiegen, deckt sich aber bei weitem nicht mit jener der Mietwagenfahrer, die in der Stadt registriert sind, heißt es bei der Innung. Offizielle Zahlen, wie viele Mietwagenfahrer in der Bundeshauptstadt unterwegs sind, gibt es nicht. Allein bei Uber wird eine Zahl von 3.000 Fahrern kolportiert.

Überforderte Prüflinge

Was verstehen Sie unter "Beförderungspflicht"? Welche Kleidungsstücke dürfen Sie nicht tragen? Nennen Sie die einmündenden bzw. wegführenden Straßenzüge. Diese und andere Fragen zu Wegbeschreibungen und Routen müssen Taxischeinanwärter beantworten können. Nicht allen fällt das leicht, heißt es bei der Innung: Im Schnitt bestehen nur 20 Prozent die Prüfung beim ersten Versuch.

Von den heuer bisher gestellten 2.830 Prüfungsanträgen waren nur 845 Erstantritte. "Die Kapazitäten sind nicht ausgenützt worden, so wie wir das erwartet hätten", heißt es bei der Kammer.

War es das also mit Uber und Co in Wien? Das ist noch schwer zu beantworten. Fest steht aber, dass das Angebot zu Jahresbeginn deutlich kleiner sein wird. Bei Uber ist die Rede von "tausenden Mietwagenfahrern ohne Job".

Im Gegensatz zur Fachgruppe in der Wirtschaftskammer vertritt der US-Konzern eine andere Auffassung: Bis vor wenigen Wochen sei nicht klar gewesen, wie die Prüfung nach dem neuen Gesetz aussehen wird, heißt es in einer Aussendung. Wie viele Fahrer bereits einen gültigen Taxischein vorweisen können, wollte der Konzern auf Nachfrage nicht beantworten.

Auch für Kunden ändert sich mit Jahreswechsel so einiges. Im Jänner und Februar können Fahrgäste mit wenigen Ausnahmen reguläre Uber-Fahrten, wie sie bisher buchbar waren, nicht mehr in Anspruch nehmen. Uber-Taxifahrten werden laut Sprecherin weiterhin angeboten.

Das Uber-Angebot für die Kunden wird vermutlich kräftig schrumpfen.
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Ab März können wieder flexible Tarife gebucht werden. Künftig kann jedoch bei allen im Internet oder am Telefon vorbestellten Fahrten ein Pauschalpreis vereinbart werden – das gilt auch für Taxis. Darüber hinaus können Landeshauptleute Mindest- und Höchsttarife festlegen. Für Kunden, die sich die Fahrt teilen, soll der Fahrpreis günstiger werden – das gilt laut Verkehrsministerium allerdings erst ab Juni. Andere Gäste können so gegebenenfalls an verschiedenen Stellen aufgenommen und wieder abgesetzt werden.

Die Freude über das Gesetz hält sich auf beiden Seiten in Grenzen: Erwin Leitner, Taxi-Branchensprecher der Wirtschaftskammer, sagte in einer Aussendung schlicht, er nehme die "politisch gewünschte" Novellierung "zur Kenntnis". Auch beim Erzrivalen Uber ist von Begeisterung keine Rede. Für Mietwagenunternehmer sei das neue Gesetz "ein herber Rückschlag", so Uber-Österreich-Chef Martin Essl.

Überholter Stoff

Auch Uber-Fahrer Ayan ist von der Novelle alles andere als begeistert. Dass er jetzt Straßennamen büffeln muss, wo er doch immer mit dem Navigationssystem unterwegs ist, hält er nicht für zeitgemäß.

Und wenn das Handy kaputtgeht? Muss er dann nicht ohne technische Hilfe auskommen? "Dann besorge ich mir eben ein neues", antwortet er prompt. Zu seinem früheren Job – der Fahrer hat in der Vergangenheit Essen ausgeliefert – will Ayan jedenfalls nicht zurückkehren. Den Lebensmittelgeruch auf seiner Kleidung sei er tagelang nicht losgeworden. Das sei beim Herumchauffieren von Menschen zumindest besser. (Nora Laufer, 21.12.2020)