Otto Schenks Inszenierung des "Rosenkavalier" stammt von 1958, rund 400-mal war sie schon im Haus am Ring zu sehen.

Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Gespenstisch leer ist das ganze Haus, nur eine Handvoll Journalisten sind da: Fiebermessung beim Eingang, FFP2-Masken-Pflicht. Gerade ein paar Logen werden für jeweils einen Sitzplatz geöffnet, eine kleine Schar Mitarbeiter hat sich in der restlichen Staatsoper verteilt. Applaus soll unterbleiben, Fotos oder gar Postings auf Social Media sind noch strenger verboten als sonst. Denn im Livestream und in der Fernsehübertragung am 27. Dezember auf ORF 3 soll nichts die Konzentration auf diese "Vorstellung ohne Publikum" von Richard Strauss’ Rosenkavalier stören – und schon gar nicht eine Spur dieser deprimierend kleinen Zusehermenge, die allein zu beruflichen Zwecken zugelassen worden ist.

Die Direktion der Staatsoper hat zweifellos das Beste aus der Situation gemacht, es wird gespielt – "für Österreich", wie die Kooperationsschiene mit dem ORF heißt. Ein schaler Beigeschmack bleibt jedoch. Schon Arnold Schönberg wusste, dass die Akustik ohne Menschen im Saal schlechter ist – von der Atmosphäre ganz zu schweigen.

Philippe Jordan hat sich für diese musikalische Neueinstudierung merklich ins Zeug geworfen und lässt das Stück brillant, farbenreich, hochdifferenziert abschnurren. Sogar die Lakaien-Passage "Der Herr Graf sind auf und davon",die sonst fast nie ganz stimmt, gelingt fast ganz.

Kaum Doppelbödigkeit

Jenseits der Präzision gibt es jedoch schon ein paar offene Punkte: So fabelhaft wunderschön das Orchester auch spielt, unter Jordans Händen wirkt alles ebenso perfekt wie glatt. Die Doppelbödigkeit und die ironische Übertreibung, die im Stück so wichtig sind, kommen kaum zur Geltung – etwa bei der italienischen Einlage, die Piotr Beczała als Sänger mit herrlichem Schmelz gestaltet, während jedoch nicht hörbar wird, dass diese Stelle als böse Parodie gemeint ist.

So sind die Mehrdeutigkeiten, die der Komponist mannigfach in die Partitur gewoben hat, weitgehend den Darstellern überlassen: Daniela Sindram als jugendlich-unstetem Grafen Octavian, dessen Temperament eher zu sehen als zu hören war. Martina Serafin als von glaubhafter Melancholie gebeutelter, dabei stets souverän bleibender Marschallin. Erin Morley als strahlender, naiver Sophie. Günther Groissböck als schlichtweg fulminantem Baron Ochs.

Die Inszenierung von Otto Schenk bleibt, was sie schon lange ist: liebenswürdig aus der Zeit gefallen – und ein unlösbarer Auftrag an jede Direktion, sie endlich zu ersetzen und zugleich auf ewig im Repertoire zu behalten. (Daniel Ender, 21.12.2020)