Stellen wir uns vor, nicht Sam Rennison sondern Michael Takacs hätte diesen Herbst den Aufruf verfasst. Und die Beamten des Leiters der Wiener Verkehrspolizei hätten agiert wie die Northumbrian Police (Region Newcastle), nachdem Chefinspektorin Rennison Rad- und Autofahrer um Meldungen gebeten hatte: Heissa, wäre das ein "Whataboutismen"-Posting-Tanz über Radlersünden geworden.

Doch Wien ist nicht Newcastle, Österreich nicht Großbritannien – und dass die Polizei sich hierzulande proaktiv auf die Seite der vulnerabelsten Fahrbahnnutzerinnen und -nutzer stellt und dazu aufruft, das Nichteinhalten seitlicher Sicherheitsabstände gegenüber Radfahrern zu dokumentieren und anzuzeigen ist … genau: undenkbar. Weniger aus Datenschutz- denn aus Weil’s-wurscht-ist-Gründen: Radler-Bedrängen ist in Österreich weder Gefährdung noch Delikt, sondern normal.

"Action against those who put lives at risk"

In Northumbria aber wollte die Polizei nicht mehr zu- (oder weg)schauen, machte einen Aufruf – und ging in Anzeigen unter. Die meisten hatten Substanz: Zwei Drittel folgten Abmahnungen, Geldstrafen oder Strafverfahren.

Dass auch manche Radfahrer Regeln brechen? Jo eh. Doch die britischen Cops blieben trotz der auch in England geworfenen "Whataboutism"-Nebelgranaten fokussiert: "An irresponsible cyclist won’t injure a driver but if you act irresponsibly behind the wheel then it can have catastrophic consequences. … So we will continue to take action against those who put lives at risk." (Bei Bedarf übersetzt der Autor diesen Satz gern ins Amtsdeutsch.) (Thomas Rottenberg, 22.12.2020)