Ob von Nadelbäumen, Meeresbrisen oder Fabriken – Brieftauben orientieren sich an Gerüchen.

Foto: MPIC

Vögel sind unbestrittene Meister der Orientierung. Dass bei manchen Arten Gerüche eine entscheidende Rolle spielen, wissen Forscher schon lange. So verlassen sich etwa Brieftauben sich beim Navigieren vor allem auf ihren Geruchssinn. Über die chemische Zusammensetzung dieser Navigationsdüfte war bisher jedoch wenig bekannt. Forscher haben nun über der Toskana organische Verbindungen identifiziert, die dort regional unterschiedlich auftreten – und Brieftauben offenbar als olfaktorische Anhaltspunkte dienen.

"Ornithologen aus Deutschland und Italien haben in mehr als 40 Jahren Forschung bewiesen, dass Tauben Gerüche in der Luft nutzen, um nach Hause zu navigieren", sagte Nora Zannoni vom Max-Planck-Institut für Chemie (MPIC), die Erstautorin der Studie im Fachblatt "Scientific Reports". So ist bekannt, dass Brieftauben eine innere Geruchskarte erstellen, die auf der Verteilung von Umweltdüften basiert. Diese innere Karte besteht aus Gerüchen, die die Vögel während ihres Aufenthalts in der heimischen Voliere über mehrere Monate hinweg wahrgenommen haben. Anhand dieses inneren Kompasses navigieren sie von einem für sie unbekannten Ort wieder zurück zur Heimatvoliere.

Messung mit dem Leichtflugzeug

Mehrere Monate lang führten Zannoni und Kollegen Max-Planck-Institute für Chemie in Mainz und für Verhaltensbiologie in Radolfzell sowie der Universitäten Konstanz, Pisa und Mainz in der Toskana Messungen durch, bei denen sie eine Reihe flüchtiger organischer Verbindungen in der Umgebungsluft der Heimatvoliere von Tauben aufspüren konnten. Zusätzliche Messungen wurden in regionalen Waldgebieten und in der Luft durchgeführt. Dafür flogen die Forscher mit einem Ultraleichtflugzeug in 180 Metern Höhe – der durchschnittlichen Flughöhe von Tauben. Anschließend kombinierten sie die Daten mit GPS-Daten frei fliegender Vögel.

Einige der chemischen Duftverbindungen wie der Piniengeruch stammen von Nadelbäumen, andere aus dem Meer, und wieder andere werden von Fabriken ausgestoßen. Aus ihren Messungen konnten die Forscher regionale Karten erstellen, die die organischen Verbindungen mit Windrichtung und -geschwindigkeit verknüpfen. Daraus erzeugten sie dreidimensionale chemische Konzentrationsverläufe der organischen Verbindungen, die die Grundlage einer Duftkarte bilden könnten. "Unserer Ergebnisse untermauern die Hypothese, dass sich Tauben mittels Gerüchen orientieren", sagte Zannoni. .

"Es ist wirklich erstaunlich", sagte Studienleiter Jonathan Williams vom MPIC. "Wir haben diese chemischen Gradienten mit mehreren Tonnen hochempfindlicher wissenschaftlicher Geräte entdeckt. Aber eine nur 400-Gramm schwere Taube kann die gleichen komplexen Geruchsinformationen ebenfalls analysieren und in eine regionale Karte umwandeln." (red, 2.1.2021)