Abnehmen ohne Ernährungsumstellung? Das ist schwierig, aber machbar.

Foto: Istockphoto/Halfpoint

Zum Jahreswechsel haben gute Vorsätze Hochkonjunktur. Viele nehmen sich vor, mehr Sport zu machen, um damit abzunehmen. Doch wer abnehmen will, muss viel Zeit in Sport investieren: Rund 700 Kalorien verbrennt eine etwa 70 Kilogramm schwere Person bei einem Zehn-Kilometer-Lauf. Beim gemütlichen Brustschwimmen oder Radfahren sind es weniger.

Das sind vielversprechende Zahlen, aber: "Eine Stunde Sport muss man als Anfänger erst einmal schaffen", sagt der Sportwissenschafter Michael Koller von der Sportordination in Wien. Noch etwas steht dem Gewichtsverlust mitunter im Weg: "Viele neigen dazu, dass sie sich für die Anstrengung gleich wieder belohnen." Und mit dem Stück Torte und dem Schokoriegel sind die 700 mühsam verbrannten Kalorien schnell wieder hereingeholt.

Dabei wäre die Sache – zumindest theoretisch – so einfach: Beim Abnehmen geht es darum, in ein Energiedefizit zu kommen, also mehr Kalorien zu verbrennen als durch Nahrung zuzuführen. Das funktioniert durch körperliche Anstrengung ganz hervorragend. Deshalb laufen bei Koller auch jedes Jahr rund um Neujahr die Telefone heiß. Viele wollen wissen, wie sie jetzt möglichst schnell möglichst viel abnehmen können.

Kleine Änderungen

Aber so einfach ist es dann eben doch nicht. "Abnehmen ist ein Langzeitprojekt", wie Koller betont. Es gilt, an viel kleineren Schrauben zu drehen – und nicht seinen gesamten Lebensstil über den Haufen zu werfen. Ein realistisches Ziel könnte schon sein, jeden Tag 100 Kalorien durch zusätzliche Alltagsaktivitäten zu verbrennen, etwa indem man aufs Auto verzichtet oder jeden Tag zehn Minuten Stiegen steigt. "Damit kann man schon viel erreichen", sagt Koller. Er rechnet vor: Wer das jeden Tag macht, verbrennt fünf Kilo Fett pro Jahr. Und wer die Bewegung so "nebenbei" in den Alltag einbaut, hat nicht so sehr das Bedürfnis, sich dafür sofort wieder zu belohnen.

Klar ist aber: Nicht alle haben Spaß am Stiegensteigen. Und: Die Trainingsreize halten sich bei den paar Minuten Bewegung in Grenzen. Fit wird man damit nicht. Aber es kann ein Einstieg sein. Denn vielleicht entdeckt man die Freude daran, jeden Tag einmal kurz außer Atem zu kommen – und verändert seine Gewohnheiten. Viele, so berichtet Koller, stellen auch ihre Ernährung automatisch um, wenn sie mit Sport beginnen: "Wer sich mehr spürt, achtet auch darauf, was er zu sich nimmt."

Noch etwas betont Koller: Es darf beim Abnehmen nicht nur um das Energiedefizit gehen. Auch eine vernünftige Energiezufuhr ist wichtig. Denn nach intensiven Einheiten müssen in einem kurzen Zeitfenster wieder Kohlenhydrate zugeführt werden: "Viele Anfänger glauben, dass sie auch bei der Ernährung konsequent sein müssen, und verzichten nach dem Sport auf das Abendessen", sagt Koller. Durch solche Fehler gehen die mühsam antrainierten Muskeln gleich wieder verloren. Nur an Tagen mit niedrigintensiven Einheiten, also einer gemütlichen Lauf- oder Walkingrunde, kann man auf Nahrungsaufnahme direkt nach dem Sport verzichten.

Achtung bei Crash-Diäten

Das große Problem beim Abnehmen ist für viele die eigene Ungeduld. Sie wollen am besten täglich weniger Kilos auf der Waage sehen. Schnell abnehmen, um spätestens im Sommer den Traumkörper zu haben: Da ist die Versuchung durch diverse Crash-Diäten groß. Das heißt: drastische Reduktion der Energiezufuhr und vollständiger Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel. Allerdings, warnt Koller, ist der Gewichtsverlust mit so einer Crash-Strategie meist nicht von langer Dauer. Denn wer abnimmt, verliert auch Muskulatur – und damit sinkt der Grundumsatz, also jene Energiemenge, die der Körper täglich an Kalorien verbrennt.

"Das ist der große Jojo-Effekt bei Hungerdiäten: Je mehr solche Diäten man macht, umso weniger Muskeln hat man, und umso weniger Kalorien verbrennt man", warnt Koller. Mit Betroffenen, die schon viele solche Diäten hinter sich haben, müsse man daher erst einmal an der Muskulatur arbeiten, um den Energieumsatz bei Aktivitäten zu erhöhen. Dieser Muskelaufbau könne schon einige Monate dauern, in denen man nicht ab-, sondern vielleicht sogar zunimmt. Koller rät daher dazu, sich genau zu überlegen, was man seinem Stoffwechsel durch Crash-Diäten antut. "Da wird langfristig extrem viel verbaut, auch was die Gesundheit und die Motivation angeht."

Letztendlich sollte es nämlich nicht darum gehen, innerhalb einiger Wochen möglichst viel abzunehmen, sondern für immer dabei zu blieben. Unumgänglich ist dabei, Spaß an der Bewegung zu entwickeln – und einen Gewinn an Lebensqualität zu bemerken.

Aber das kann dauern: Nach zwölf Wochen merken Einsteiger meist die ersten positiven Effekte ihrer Anstrengung. Bis die Mitmenschen erste Veränderungen bemerken, kann es noch länger dauern. Trotz allem dabeibleiben, rät Koller. "Man kann die Physiologie des Menschen nicht aushebeln. Da gibt es keine Abkürzung." (Franziska Zoidl, 1.1.2021)