Elektronische Medien waren am Montag beim Terrorprozess gegen den 18-jährigen A. im Verhandlungssaal verboten.

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Wien – "Mir hat die Musik gefallen", begründet der 18-jährige Angeklagte A., warum die Polizei bei einer Razzia im Oktober 2019 auf seinen elektronischen Datenträgern Naschids gefunden hat. Das sind A-capella-Gesänge, meist von Männern, die vom Islam handeln. Das wäre nicht so schlimm, wenn die bei A. sichergestellten Stücke nicht "Kampf-Naschids" gewesen wären, islamistische Propaganda mit Verherrlichung von Krieg und Märtyrertum. "Ich kann kein Arabisch, ich habe nicht verstanden, was der Inhalt war", versucht der Unbescholtene den Vorwurf zu umschiffen. Die Vorsitzende des Schöffengerichts bremst ihn aus: "Es waren auch Texte auf Englisch dabei, und Sie haben vorher gesagt, Sie könnten Englisch besser als Deutsch!", macht sie deutlich, dass sie das für eine Ausrede hält.

Der Prozess um Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung stößt auf großes Medieninteresse. Der Grund: A. soll im Jahr 2018 den Attentäter vom 2. November 2020 bestärkt haben, nach Syrien zu gehen und sich der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) anzuschließen. Dazu soll er im Internet Werbung für den IS gemacht und zu Gewalt aufgerufen haben, wirft ihm der Staatsanwalt vor. Und zusätzlich soll A. den Attentäter im Sommer 2020 zweimal getroffen haben – unter dem Verdacht der Komplizenschaft sitzt er deshalb seit November in Untersuchungshaft.

Kindlich wirkender Angeklagter

Als der Teenager von schwerbewaffneten und mit Sturmhaube getarnten Justizwachebeamten vorgeführt wird, sind manche im Saal überrascht. A. ist vielleicht 1,60 groß und sieht definitiv nicht wie ein 18-Jähriger aus. Das könnte einer der Gründe sein, warum er sich 2018 für den IS zu begeistern begann.

2013 kam er mit seiner Mutter aus Bangladesch nach Österreich, wo sein Vater und sein älterer Bruder bereits lebten. "Warum?", fragt die Vorsitzende. "Hier gibt es ein besseres Leben", antwortet der Angeklagte. A. absolvierte die Neue Mittelschule, danach scheiterte er im Gymnasium und einer HTL an den damals mangelnden Deutschkenntnissen. Die Sprachdefizite und seine dunklere Hautfarbe hätten zu Mobbing geführt, erzählte A. bei den Jugendgerichtserhebungen.

"Andere Prediger gehört"

In einem Park in Wien-Brigittenau traf er dann dagegen auf Burschen, die ihn akzeptierten. Wie K.F., der spätere Attentäter. Ein Schulkollege von A., der als Zeuge befragt wird, erinnert sich, dass der Angeklagte sich ab 2018 verändert habe. "Wie?", will die Vorsitzende wissen. "Er hat andere Prediger gehört." Solche, die den "Islamischen Staat" priesen und im Namen des Islams zu Terror gegen die Ungläubigen aufriefen.

Auf verschiedenen Social-Media-Kanälen postete A. diverses Material. Dass K. F. im Jahr 2018 nach Syrien wollte, will der Angeklagte nicht gewusst haben. "Er hat gesagt, er fährt in sein Heimatland." – "Welches?", fragt die Vorsitzende. "Nordmazedonien", sagt A. über den in Österreich geborenen Doppelstaatsbürger F.

"Er hat mich zum Admin seines Kanals gemacht", verrät der Angeklagte der Vorsitzenden noch. Ob die den Begriff nicht kennt oder sie den recht leise sprechenden A. in ihrem Corona-Schutz-Kunststoffkäfig einfach nicht versteht, ist unklar. "Was?", fragt sie jedenfalls nach. "Er hat mich zum Administrator seines Telegramkanals gemacht", erklärt der Angeklagte.

Aufmunterung in holprigem Deutsch

Erst als K.F. bereits in der Türkei war und auf den Weitertransport nach Syrien wartete, habe es wieder Kontakt gegeben. Aus Sicht des Anklägers ziemlich belastenden: Denn A. wünschte dem Freund Allahs Schutz vor den Armeen der Ungläubigen. Oder auch: "Möge Allah dich höchste Platz in Paradise nimmt." – "Wer bekommt denn den höchsten Platz im Paradies?", fragt die Vorsitzende. "Die, die besonders gläubig sind. Und viel beten", antwortet der 18-Jährige. "Und die Märtyrer, oder?" – "Ja, aber nicht nur", beharrt der Angeklagte.

Nach einem anonymen Hinweis erfolgte im Herbst 2019 die Razzia bei den Eltern des Angeklagten, es folgte eine Anzeige auf freiem Fuß. Vor dem Sommer 2020 habe er K.F. zufällig wieder getroffen. "Ich habe mich gewundert, dass er aus dem Gefängnis so schnell raus ist." Er habe sich mit F. dann über die Razzia und seinen dräuenden Prozess unterhalten. Auch ein zweites Treffen sei eher zufällig gewesen: "Ein Freund hat gesagt, komm Handelskai, da war F. auch dort." – "Warum treffen Sie sich dann überhaupt? Sie wussten, dass Sie ein Verfahren haben und K.F. verurteilt ist. Da geh ich dem doch aus dem Weg", wundert sich die Vorsitzende.

Im September Lehrstelle gefunden

A. beteuert, seit der Razzia 2019 habe er sich vom Islamismus abgewandt. "Meine Eltern und mein Bruder haben mir das erklärt", argumentiert er. Im heurigen September habe er auch eine Lehrstelle gefunden, von den 609,41 Euro Lehrlingsentschädigung musste er der Familie monatlich 500 Euro abgeben – für die Anwaltskosten und die Beseitigung der Schäden durch die Polizeirazzia.

"Was gibt uns jetzt die Gewissheit, dass Sie nicht auch wieder in diese Richtung gehen?", artikuliert die Vorsitzende ihre Ängste. In den Jugenderhebungen ist festgehalten, dass A. zumindest vor dem Anschlag noch "verbergend und bagatellisierend" über seine Beziehung zum IS spreche. "Ich geh jetzt zu Derad", sagt der Angeklagte, der auch verspricht, sich künftig von islamistischen Kreisen fernzuhalten.

Der Senat verurteilt A. schließlich zu 24 Monaten Haft, sechs davon sind unbedingt. Die fortdauernde Untersuchungshaft wegen der möglichen Verbindung zum Anschlag in der Wiener Innenstadt wird auf den unbedingten Teil angerechnet. Zusätzlich erhält der Teenager noch die Weisung, das Deradikalisierungsprogramm bei Derad weiter zu besuchen. (Michael Möseneder, 21.12.2020)