Morbidität im Dienste einer modebewussten Kaiserin namens "Sisi": Elisabeths "Trauermaske" (1880) stellt alle einschlägigen Versuche von Lady Gaga eindrucksvoll in den Schatten.

Foto: KHM-Museumsverband

Corona ist Chef. Das hat jetzt auch die Wagenburg in Schönbrunn besiegelt. Aus der Not heraus, aber auch von zwingend aktuellem Interesse getrieben, hat das Museum in nur wenigen Wochen eine Schau zusammengestellt, die eine Schneise durch hunderte Jahre Seuchengeschichte schlägt. Tatsächlich ist das dem imperialen Fuhrpark der Habsburger gewidmete Museum ein ungewöhnlicher Ort dafür. Da aber mit Mobilität und Reisen grad nichts läuft, hat Direktorin und Kuratorin Monica Kurzel-Runtscheiner zwischen Schlitten und Prunkkarossen kurzerhand einen kleinen Seuchen-Parcours angelegt.

Weiters mag irritieren, dass Coronas Ahnen zwar auf das Seuchenthema abzielt, man aber den Maskenaspekt ausgedehnt hat auf andere Anlässe der Verhüllung. Und das hat sich gelohnt. Es wäre einfach zu schade gewesen, die prächtige, jede Lady Gaga in die Schranken weisende Trauermaske von Kaiserin Elisabeth aus dem Jahr 1880 in den KHM-Sammlungen unter Verschluss zu halten. Schwarze Gaze, Samt und Spitze umhüllen den ganzen Körper mit seiner mörderisch schmalen Taille. Auf dem Kopf trug Sisi Straußenfedern. Die Augenbrauen sind aufgestickte Jetperlen. Brrrrr.

Freiheitssymbol

Masken im höfischen Bereich spielten auch bei Turnieren eine Rolle (Wechselvisiere), im Theater und bei den Maskenbällen, deren großer Fan der Überlieferung nach Maria Theresia war. Auch wenn die Maske 2020 zum ungeliebten Maskottchen der Pandemie geworden ist, so war sie doch immer ein Symbol der Freiheit und Entgrenzung (Ritus, Karneval). Die Verkleidungsfreude der Menschen des Rokoko, aber auch herauf bis in die Zeit des Biedermeier war enorm. Theaterzeitungen berichteten über die jeweils neueste Maskenmode, auf deren "Flirtpotenzial" man setzen konnte, so die Direktorin.

Und es wäre nicht Wien, würde die Ausstellung (Untertitel: Masken und Seuchen am Wiener Hof 1500–1918) nicht doch auf das Morbide abzielen. Vier maßgebliche, eine Spur der Vernichtung hinterlassen habende Seuchen des Mittelalters und der Neuzeit stehen im Mittelpunkt: Pest, Cholera, Pocken und Spanische Grippe. Auch das Kaiserhaus blieb nicht verschont. Die Ausstellung schlüsselt die entsprechende Medizin- und Gesundheitsgeschichte in wenigen, aber aussagekräftigen Schrift- und Bilddokumenten auf, mit Videoerklärungen. Das reicht von Pestordnungen und Rezepturen über Bleistiftzeichnungen von Pestspitälern bis hin zu Aberglaubensschmuck auf Porträts von Infantinnen.

Und wer sich über die Einschränkungen des nun laufenden Jahres entsetzt, der schlage nach in der Arbeiter-Zeitung vom 19. Oktober 1918: "Die Schulen bleiben bis zum 4. November geschlossen. Sämtliche Theater, Kinos, Vergnügungslokale etc. werden vom 21. Oktober abends bis zum 4. November geschlossen."

Kants Impfskepsis

Und auch das kommt einem bekannt vor: "Auf den Grenzen sollen Aufseher sein, welche die Ankommenden auf das schärffeste examiniren, ob selbe zu Quarantenae anzuhalten oder gar zurückzuschicken seyen." So sah es die Pestordnung von 1692 vor. Wie ähnlich zu heute der Seuchenverlauf mit all seinen Präventionsmaßnahmen bereits vor 400 Jahren war, verblüfft. Auch damals drehte sich alles um Quarantäne, Kontaktpersonen, zweite Welle, Gesundheitszeugnisse, kostenlose Vorsorge, geschlossene Gaststätten und Theater sowie den stagnierenden Handel, der durch den "cordon sanitaire", den medizinischen Grenzwall zur Handelsroute aus dem Osten, ausgebremst war.

Dass die Habsburger einmal wahre Impfpioniere waren, zeigt schließlich die Pockenbekämpfung im 18. Jahrhundert. Mehrere Kinder Maria Theresias starben, auch sie selbst war infiziert, erholte sich aber wieder. Schließlich trieb die Monarchin die Impfforschung voran und ließ drei ihrer Prinzen – trotz großer Skepsis und nicht geringen Risikos – mit einem menschlichen Serum impfen. Erfolgreich.

Kurze Zeit später wurde in England ein Kuhserum entwickelt. Zu den entschiedenen Impfgegnern der damaligen Zeit gehörte übrigens ein gewisser Immanuel Kant. Er fürchtete, animalische Eigenschaften würden auf den Menschen übergehen. Entsprechend sehen die in der Schau versammelten Karikaturen dieser Zeit aus.

Es gibt also auch was zu lachen. Bemerkenswert erscheint eine Satzung von 1692, die das gesellige Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger nicht aus dem Auge verliert: "Zur Zeit der Pest solle niemand in die Wein- oder Brandwein-Häuser eingelassen werden, sondern es solle ein jedweder dergleichen Getränk in seinem Haus vorrätig haben." Merke! (Margarete Affenzeller, 21.12.2020)