Reisende am Flughafen in Johannesburg haben es immer schwerer: Mehrere Staaten haben bereits Landeverbote für Flugzeuge aus Südafrika ausgesprochen.

Foto: EPA/KIM LUDBROOK

Welcher Teufel die südafrikanische Regierung in diesem Fall geritten hat, ist so wenig klar wie damals, als sie den Kapbewohnern bei ihrem ersten strengen Lockdown auch das Rauchen verbot und damit vor allem einen Boom des Zigaretten-Schwarzmarkts auslöste. Ein Gericht hat den damaligen Beschluss inzwischen als verfassungsfeindlich verurteilt. Im jüngsten Fall rutschte das Kabinett in die Gegenrichtung aus: Denn "Rage"-Festivals, mit denen Südafrikas Maturantinnen und Maturanten in feuchtfröhlichen Massenpartys Jahr für Jahr ihren Schulabschluss feiern, erhielten Anfang dieses Monats überraschend grünes Licht.

Die Folge zeigte sich bereits nach dem ersten Tanz- und Kotz-Event im Urlaubsstädtchen Ballito am Indischen Ozean. Dort trafen mehrere Tausend Teenager ein, schubsten sich auf der Tanzfläche und fielen sich nicht nur freudetrunken um den Hals. Wenige Tage später füllten sich in allen Landesteilen die Hospitäler: Weit mehr als 100 Partygänger hatten sich das Coronavirus eingefangen.

Die strengen Vorschriften der Behörden – Alkoholverbot, Mundschutz und Abstandhalten – seien peinlichst genau eingehalten worden, versicherten die Veranstalter: Allerdings hätten die Feierwütigen zum Alkoholkonsum eben andere Lokalitäten aufgesucht. Wie auch immer: "Rage" verhalf der zweiten Corona-Welle am Südzipfel Afrikas zu ihrem endgültigen Durchbruch: Inzwischen werden täglich wieder mehr als 10.000 Ansteckungsfälle gemeldet. Diesmal soll der Prozentsatz unter den 15- bis 19-Jährigen besonders hoch sein.

Mutation am Kap

Fachleute machen dafür nicht nur das "Zorn"-Festival verantwortlich: Vielmehr sei Sars-CoV-2 in Südafrika wie unabhängig davon auch in Großbritannien zu einer neuen Variante mutiert, die sowohl ansteckender sei als auch von Jugendlichen leichter aufgenommen werde. 90 Prozent der Neuansteckungen sind bereits heute auf die 501.v2 genannte Variante zurückzuführen, teilte Gesundheitsminister Zwelini Mkhize am Wochenende mit: "Keine gute Nachricht", fügte dessen epidemiologischer Chefberater Salim Abdool Karim hinzu.

Über die Eigenschaften des mutierten Virus sei bislang noch nicht allzu viel bekannt, sagte der Virologe: Eine Neuausrichtung des Kampfes gegen die Pandemie – sei es durch eine andere Behandlung oder einen veränderten Impfstoff – sei allerdings zumindest derzeit nicht nötig. Trotzdem stoppte Deutschland am Sonntagabend neben den Flügen aus Großbritannien auch jene aus Südafrika. Am Montag zog unter anderem die Schweiz nach.

Beginnende Sommerferien

Cyril Ramaphosas Kabinett hatte bereits zuvor die Corona-Bestimmungen im Land selbst verschärft: Allerdings vor allem in den Küstenprovinzen, dem Urlaubsziel vieler Kapbewohner in den jetzt beginnenden Sommerferien. Ein Bade- und Strandverbot an der beliebten Gartenroute löste unter gut betuchten Landeskindern einen Sturm der Entrüstung aus. Die von Weißen dominierte Oppositionspartei "Demokratische Allianz" geht sogar vor Gericht dagegen vor.

Obwohl die Ansteckungsquote derzeit schneller als bei der ersten Welle steigt, meint Südafrikas Regierung, sich keinen weiteren strikten Lockdown leisten zu können: Schon der erste hatte die Wirtschaft des Landes in besorgniserregende Seenot gebracht. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 21.12.2020)