Es ist schon eigenartig, wie schnell sich die Dinge in der Pandemie drehen. Besonders eindrücklich wird das derzeit sichtbar, wenn es um das kostenlose Testen von möglichst vielen Personen gleichzeitig geht. Bei den Massentests, die vor wenigen Wochen in ganz Österreich stattfanden, klappte das bekanntlich nicht besonders gut.

Die bundesweite Kampagne war überschattet von groben Pannen bei der Anmeldung und beim Datenschutz und von dem Sich-die-Schuld-Zuschieben an diesen Pannen. Die Teststraßen blieben jedoch recht leer, am Ende flehten die Länder ihre Bürgerinnen und Bürger regelrecht an zu kommen – gern mit Familie und ohne Anmeldung. Und nun, vor Weihnachten, werden die Gratisteststraßen im ganzen Land überrannt. Obwohl man die Kapazitäten ausgebaut hat, werde man dem Heer an Menschen nicht mehr Herr werden, heißt es aus mehreren Bundesländern.

Wer sich jetzt testen lässt, macht das, weil er seine Angehörigen zu Weihnachten sehen, aber nicht gefährden will.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Man könnte also meinen, Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte recht, als er seine eilig angekündigten Massentests eigentlich für kurz vor Weihnachten ansetzen wollte. Und damit, dass die Länder falsch lagen, als sie ihren Leuten einen Gefallen tun wollten, und die Tests vorverlegten, damit nicht allzu viele über die Feiertage in Quarantäne müssen – übrigens eine fast abschätzige Sicht auf das Verantwortungsbewusstsein ihrer Bürgerinnen und Bürger. Doch all das greift zu kurz. Denn was gerade passiert, dieser Ansturm auf die Tests ohne breite mediale Kampagne, wie es sie bei den bundesweiten Massentests gab, zeigt vor allem: Wir machen uns Gedanken. Und wir mögen freie Entscheidungen.

Schutz des Kollektivs

Wer sich jetzt testen lässt, macht das nicht, weil Kanzler und Gesundheitsminister das als Teil eines schwer überschaubaren Gesamtkonzepts gerade für sinnvoll erachten. Der macht das, weil er seine Angehörigen zu Weihnachten sehen, aber nicht gefährden will. Der nimmt dafür auch in Kauf, in Quarantäne zu müssen, sollte der Test überraschenderweise doch positiv sein. Dass in Wahrheit Massen- wie Weihnachtstests dem Schutz des Kollektivs dienen, steht auf einem anderen Blatt. In der Entscheidung des Einzelnen geht es um individuelle Anreize, darum, ob man einen Sinn im eigenen Tun sieht.

Das sollte der Politik bewusst sein – auch im Hinblick auf eine Impfung, wie sie hoffentlich bald für alle verfügbar sein wird. Auch dort gilt es, die Vorteile klar zu kommunizieren, mit allen Abwägungen, die damit einhergehen, und mit der Botschaft: Du entscheidest, wie es weitergeht, mit deiner Gesundheit und der deiner Mitmenschen. So simpel das klingt, so sehr ist die Regierung bisher daran gescheitert.

Stattdessen versucht sie es nun mit indirektem Zwang. Indem sie gesetzlich vorschreibt, dass für jene, die bei der nächsten Runde der Massentests nicht teilnehmen, strengere Ausgangsbeschränkungen gelten sollen als für andere, führt sie eine Testpflicht durch die Hintertür ein.

Auch das ist ein Anreiz, auch das kann zugkräftig sein, in einem Land, das sich seit einem Dreivierteljahr nach Freiheiten sehnt. Doch es nimmt den Menschen die Möglichkeit zur freien Entscheidung. Denn dass diese sehr wohl überlegt und nicht ausschließlich egoistisch motiviert ist, zeigt der aktuelle Ansturm auf die Tests. Möge der auch nach Weihnachten anhalten – unabhängig von den Entscheidungen des Bundes und der Länder. (Gabriele Scherndl, 21.12.2020)