Rund drei Millionen Impfdosen hat Pfizer vergangene Woche von seinem mit Biontech entwickelten Covid-Impfstoff in den USA ausgeliefert, am Sonntag begann auch Moderna mit der Verteilung. In Großbritannien, Kanada, Israel und anderen Staaten sind großangelegte Impfkampagnen im Laufen, werden Millionen von vulnerablen Personen vor der größten Seuche unserer Zeit geschützt.

Impfzentrum in Deutschland.
Foto: imago/Political-Moments

Nur in der EU lässt man sich Zeit. Zwar hat die EU-Arzneimittelbehörde EMA den Pfizer/Biontech-Impfstoff am Montag zugelassen, eine Woche früher als ursprünglich geplant, und auch die EU-Kommission zieht ihre Zustimmung vor. Aber auf die ersten Impfungen muss man bis nach Weihnachten warten, und in Österreich etwa sollen bis Jahresende bloß 10.000 Dosen in einigen Pflege- und Altersheimen verabreicht werden – ein Tropfen auf den heißen Corona-Stein. Anderswo wird inzwischen am laufenden Band gepikst.

Ob die EU tatsächlich, wie "Der Spiegel" schreibt, zu wenig Impfdosen bestellt hat und Deutschland deshalb bereits im Alleingang nach nationalen Lieferungen sucht, ist unklar. Österreichs Corona-Beauftragter Clemens-Martin Auer pocht darauf, dass es bis zum Ende des Sommers genügend Dosen für alle Impfwilligen in Österreich geben wird. Das mag stimmen, aber das Problem der EU ist nicht das Wieviel, sondern das Wann: Wollen wir wirklich ein Dreivierteljahr warten, bis wir zur Normalität zurückkehren können? Und wie viele Menschen werden in den kommenden Monaten an Covid-19 sterben, weil sie nicht rechtzeitig geschützt wurden?

Corona-Albtraum

Der gemächliche Zulassungsprozess der EMA, der das Vertrauen in die Impfung nicht stärkt, ist nur eines der Schwachpunkte von Europas Strategie. Die EU dürfte zu spät und zu wenig bei Pfizer/Biontech und Moderna bestellt haben – und zu viel bei Astra Zeneca. Der britisch-schwedische Konzern hat dank der Arbeit der Oxford-Forscher ein solides, kostengünstiges Produkt im Angebot. Aber er hat wenig Erfahrung mit Vakzinen und hat bei den entscheidenden Phase-3-Tests gepatzt. Nur wenn von nun an alles glatt läuft, kann die Zulassung bis Februar gelingen. Andere Hersteller, mit denen die EU Verträge abgeschlossen hat, hinken noch weiter hinterher.

Wenn im Frühjahr andere westliche Staaten dank Massenimpfungen aus dem Corona-Albtraum erwachen, während die meisten EU-Bürger noch warten müssen, dann wird auch die europäische Solidarität nicht halten. Dann wird jeder Mitgliedsstaat und so manche Institution versuchen, mit Druck und Geld an zusätzliche Dosen zu gelangen. Dann droht ein schwunghafter Schattenhandel – mit viel Potenzial für Betrug und gesundheitliche Schäden.

In der EU scheint man sich des Zeitdrucks endlich bewusst zu werden. Aber noch wird so getan, als laufe alles nach Plan. Es wäre an der Zeit, sich aus dem bürokratischen Korsett zu befreien und auf Notfallmodus umzuschalten – damit auch bei uns so rasch und so viel wie möglich geimpft werden kann. (Eric Frey, 21.12.2020)