Wer innerhalb der letzten fünf Jahre für ein Steuerdelikt rechtskräftig verurteilt wurde, kann keine Covid-Förderungen erhalten.

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Steuervergehen sind kein Bagatelldelikt. Steuern ermöglichen erst die Schaffung und Aufrechterhaltung zentraler staatlicher Institutionen, die Demokratie, Sicherheit und möglichst breiten Wohlstand garantieren sollen – gerade auch in Krisenzeiten.

Deshalb erscheint es auf den ersten Blick auch schlüssig, wenn der Staat von seinen zahlreichen geschnürten Rettungspaketen für die Wirtschaft – Fixkostenzuschuss I und II, Lockdown-Umsatzersatz, Verlustersatz, Covid-19-Investitionsprämie und Ähnliches – Unternehmen ausschließt, die ihre Steuerpflichten vorsätzlich nicht erfüllt haben.

Die Konsequenzen des Vorenthaltens der Hilfen sind jedoch evident: Vielen betroffenen Unternehmen droht ohne staatliche Hilfsmaßnahmen die Insolvenz. Auch Zulieferbetriebe könnten in die Insolvenz hineingezogen werden, wenn ihre wichtigsten Auftraggeber wegfallen. Geht man davon aus, dass die Rettungsmaßnahmen vor allem dazu dienen, die Erholung der Wirtschaft zu beschleunigen und Personen in Beschäftigung zu halten, stellt sich die Frage, ob man Unternehmen diese Eignung pauschal absprechen möchte, wenn sie in der Vergangenheit einmal straffällig geworden sind.

Straftat kann schon lange zurückliegen

Nicht alle Unternehmen, deren Betrieb aufgrund staatlicher Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung geschlossen oder beschränkt wurde, sind unbelehrbare, völlig entsolidarisierte Steuerbetrüger. Für einen Ausschluss reicht bereits eine einmalige Finanzstraftat aus. Diese Tat kann auch viele Jahre zurückliegen – bloß die Verurteilung muss nach den meisten der angesprochenen Förderrichtlinien in den letzten fünf Jahren rechtskräftig geworden sein. Eine Möglichkeit, die vermutete Unredlichkeit unter Hinweis auf zwischenzeitlich ergriffene Maßnahmen zu widerlegen, besteht derzeit nicht.

Durch die Beachtung der staatlichen Anordnungen haben aber auch diese Unternehmen ihren Beitrag zur Beherrschung der Pandemie geleistet und die damit verbundenen Verluste in Kauf genommen. Durch eigene Steuerleistungen haben sie die Töpfe mitgespeist, aus denen nun die Hilfen bezahlt werden.

Verfassungsrechtlich bedenklich

All diese Umstände – und weitere – werfen verfassungsrechtliche Fragen auf:

Verfassungsrechtlich bedenklich erscheint zunächst der Umstand, dass der Ausschluss von Förderungen auf "steuerliches" Wohlverhalten beschränkt ist. Verurteilungen wegen anderer Delikte, die ebenfalls zum Schaden der "Allgemeinheit" begangen wurden (wie etwa die missbräuchliche Verwendung von Förderungen nach § 153b StGB), hindern die Auszahlung von Hilfsgeldern nicht.

Besonders gravierend erscheint die rückwirkende Dimension des Ausschlusses: Er knüpft an ein Verhalten an, das bereits in der Vergangenheit gesetzt wurde und nun nicht mehr beeinflussbar ist. Weil aber jedermann zu jedem Zeitpunkt genau wissen (können) soll, welches Verhalten strafbar ist und welche Strafe ihm im Fall rechtswidrigen Verhaltens droht, sind rückwirkende Strafverschärfungen verboten (Art 7 EMRK). Fraglich ist jedoch, ob der Ausschluss von Hilfsmaßnahmen als "Strafe" im Sinne der EMRK gelten kann.

Starrer Automatismus

Doch auch unter Sachlichkeitsgesichtspunkten erscheint der in den Reglungen enthaltene (rückwirkende) Automatismus bedenklich: Ungeachtet der Umstände des Einzelfalls knüpfen sie starr an das Faktum einer rechtskräftigen Verurteilung an. So kann eine Verurteilung etwa am Unternehmen "haften" bleiben, auch wenn der Geschäftsführer, der die Straftat begangen hat, längst nicht mehr im Unternehmen ist oder wenn seither Maßnahmen ergriffen wurden, derartigem Fehlverhalten vorzubeugen.

Schließlich beinhalten die Förderregelungen ein weiteres, zeitlich willkürliches Element: Es geht nur um das Verhalten bzw. allfällige rechtskräftige Verurteilungen bis zur Antragstellung. Wenn ein Unternehmen daher knapp vor Eintritt der Rechtskraft einer Verurteilung einen Antrag stellt, erhält es die volle Förderung ausbezahlt, obwohl es kaum als "förderungswürdiger" angesehen werden kann als jenes, dessen Verurteilung vor knapp fünf Jahren rechtskräftig wurde.

Missglückter Regelungstext

Zwar soll ein eben beschlossenes Gesetz, das die Auszahlung von Hilfsgeldern an das steuerliche Wohlverhalten knüpft, auch das Verhalten bis zum Abschluss der Fördergewährung in die Betrachtung einbeziehen. Der Regelungstext erscheint jedoch in dieser Hinsicht nicht geglückt. Zudem gilt es nur für künftige Hilfsmaßnahmen.

Angesichts dieser Umstände wäre es wünschenswert, die Entscheidungsträger würden einen zweiten Blick auf die Vorschriften werfen und überlegen, ob die Schwelle, die es für eine angenommene Förderwürdigkeit zu überschreiten gilt, nicht zu hoch angesetzt wurde. (Alexander Hiersche, Kerstin Holzinger, 22.12.2020)