Franz Haberl hat eine ziemlich steile Berufskarriere in Österreich, Russland und China hinter sich und wurde vor drei Jahren obdachlos. In Floridsdorf hat er ein neues Zuhause gefunden – auf 23 m² und in guter Nachbarschaft.

"Meine Wohnung hat zwar nur 23 Quadratmeter, aber dafür hat das Wohnzimmer drei Bereiche. Im ersten Teil des Zimmers gibt es Küche und Essplatz, in der Mitte ist die Wohnzone mit Fernsehen und Relaxen, und hier vorne am Fenster habe ich den Arbeitsbereich – mit einem Schreibtisch für meine Homeoffice-Arbeit und einer Ecke für aktive Freizeitgestaltung. Mit einem Wort: Hier zeichne und male ich.

Finanziell ist es schwierig, doch Franz Haberl fühlt sich in seiner Wohnung "glücklich wie nie zuvor".
Foto: Lisi Specht

Das Malen von Bildern ist ein wichtiger Bestandteil der Spielsucht-Therapie. Am liebsten male ich abstrakte Sachen sowie meinen ehemaligen Hund Lucky. Ich hätte zwar gern wieder einen Hund, aber das ist mit meinem aktuellen Leben nicht vereinbar.

Das Ganze hier ist eine Einrichtung der Arge Wien, also der Nichtsesshaften-Hilfe der Gewerkschaft der Privatangestellten. Das Haus richtet sich an all jene, die keine Wohnung haben oder die aus der Obdachlosigkeit wieder hinausfinden wollen – eine Art Angebot und Hilfestellung für einen Neustart im Leben.

Das Haus befindet sich in der Brünner Straße und wurde im Februar 2019 von der WBV-GPA nach Plänen des Wiener Architekturbüros CPPA fertiggestellt. Es gibt 50 Kleinwohnungen, und jede Wohnung ist mit Küche, Bad und ein paar substanziellen Möbeln wie etwa Schlafsofa, Schrank, Kommode, Tisch und zwei Stühlen ausgestattet – mit allem, was man so braucht.

Malen als Therapie. Am liebsten malt Franz Haberl "abstrakte Sachen" sowie seinen ehemaligen Hund Lucky.
Fotos: Lisi Specht

Das sind kleine Mietwohnungen mit einem Nutzungsvertrag. Die Monatsmiete beläuft sich auf 382 Euro, wobei im Bedarfsfall bis zu 106 Euro Mietbeihilfe zugeschossen werden. 276 Euro muss also jeder selbst zahlen. Das ist zwar nicht leicht, wenn man von der Straße kommt, aber mit Beihilfen oder sogar einem Job im besten Fall ist das durchaus machbar.

Ich bin in der glücklichen Lage, seit Juli eine echt schöne Arbeit verrichten zu können. Ich arbeite für Obdach Wien und bin als sogenannter Peer tätig. Das heißt: Ich berate und begleite Menschen, die in einer ähnlichen Situation sind wie ich vor einigen Jahren.

Zu meiner Geschichte: Ich habe im Versicherungswesen gearbeitet und war Vorstandsassistent und Schulungsleiter. Nach dem Zerfall der Sowjetunion bin ich nach Moskau gezogen und habe dort europäische Unternehmen bei der Markteinführung unterstützt.

2009 habe ich dann in Shenzhen, China, ein Unternehmen für Taschenproduktion gegründet – und ein Team mit 70 Mitarbeitern geleitet. Auch das war eine spannende Zeit. Leider hat mir immer wieder die Spielsucht hineingepfuscht. So habe ich all meine Jobs, mein Geld und schließlich auch die Wohnung verloren.

"Ich hätte zwar gern wieder einen Hund, aber das ist mit meinem aktuellen Leben nicht vereinbar", sagt Franz Haberl.
Fotos: Lisi Specht

2018 bin ich obdachlos geworden. Zur gleichen Zeit habe ich eine Therapie gestartet und mich in allen Casinos auf Lebenszeit sperren lassen.

Man ist aus der Spielsucht nie wirklich draußen, ist ein Leben lang rückfallgefährdet. Aber die Spielsuchthilfe Wien hat mir beim Weg zurück in ein normales Leben sehr geholfen. Auch das Wohnen und Leben hier in diesem Haus, mit meinen Nachbarn und Freunden und Freundinnen rundherum, hält mich sehr stabil. Selbst die Corona-Krise mit all ihrer Einsamkeit und Isolation habe ich ohne Rückfall überstanden – darauf bin ich echt stolz. Ich habe in meinem Leben schon viele Phasen durchlebt, vom erfolgreichen Manager bis hin zu Abgründen am Rande der Kriminalität und zu Gedanken an Selbstmord. Ja, ich war ganz unten. Und hatte sogar eine kurze Auszeit in Haft. Und obwohl ich nun in finanziell schwierigeren Umständen lebe, kann ich heute sagen: Ich bin so glücklich wie nie zuvor.

Ich habe mich derfangen, habe einen neuen Job, und in spätestens drei Jahren will ich mir eine kleine Smart- oder Gemeindewohnung suchen, gerne auch draußen in der Seestadt Aspern. Außerdem würde ich an der FH gerne einen Lehrgang für Sozialpädagogik machen." (Wojciech Czaja, 25.12.2020)