Wie weit klafft sie nun auseinander, die Schere zwischen Arm und Reich? Ökonomen haben die Vermögensverteilung in Österreich im Auftrag der Arbeiterkammer erforscht.

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83.000 Euro: So groß ist das mittlere Vermögen eines Haushalts in Österreich. Dazu zählt Erspartes, Immobilien, teure Möbel und so weiter. Schulden muss man freilich abziehen. Die Zahl stammt aus einem neuen Online-Vermögensrechner, den die Arbeiterkammer (AK) am Dienstag präsentiert hat.

Der neue Rechner hilft allerdings nicht nur dabei, seinen Platz in der heimischen Vermögenspyramide zu finden. Er zeigt auch, wie ungleich Vermögen in Österreich verteilt ist. Auf rund 500.000 Euro oder mehr kommen demnach die reichsten zehn Prozent der Haushalte in Österreich, das reichste Prozent sitzt auf einem Vermögen von mehr als 2,2 Millionen Euro. Wobei Superreiche wie Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz oder Novomatic-Eigentümer Johann Graf freilich noch einmal um sehr vieles mehr besitzen.

Unternehmer Dietrich Mateschitz kommt auf ein Privatvermögen von fast 15 Milliarden Euro.
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Studie füllt Lücke

Die Zahlen der Arbeiterkammer stammen aus einer neuen Studie, die die Interessenvertretung am Dienstag präsentiert hat. Weil das Vermögen der Reichsten im Lande in bisherigen Studien meist unterschätzt wird, hat die Kammer Ökonomen beauftragt, diese Forschungslücke zu schließen.

Mit herkömmlichen Methoden wurde das Vermögen des reichsten Prozents in Österreichs auf 23 Prozent des Gesamtvermögens geschätzt – laut Berechnungen der Arbeiterkammer ist der Anteil der Reichen am Kuchen allerdings wesentlich größer. Demnach entfallen 39 Prozent des Gesamtvermögens auf das oberste Prozent. Der Grund für die deutlich höhere Zahl: In den Daten früherer Erhebungen fehlten Superreiche.

In Auftrag gegeben wurde die Studie von den Arbeiterkammern Wiens und Niederösterreichs.

Die reichsten fünf Prozent teilen sich demnach bereits mehr als den halben Kuchen. Sie besitzen zusammen 55 Prozent des Gesamtvermögens im Land. Zur Einordnung: Das österreichische Privatvermögen schätzen die Studienautoren unter der Leitung von Jakob Kapeller, Professor für Sozioökonomie an der Universität Duisburg-Essen, auf 1.249 Milliarden Euro.

Ruf nach Abgaben

Bei der Arbeiterkammer leitet man aus den Studienergebnissen einen Handlungsauftrag ab. Angesichts der explodierenden Kosten der Corona-Krisenpolitik sei eine Vermögensabgabe an der Zeit. "Unsere Studie zeigt, dass sehr viel Vermögen bei Multimillionären und Superreichen konzentriert ist und diese endlich einen fairen Beitrag zur Finanzierung der Krisenlasten leisten müssen", sagt AK-Präsidentin Renate Anderl. Andere Länder würden vorzeigen, dass eine gerechtere Verteilung der Krisenlasten auch in Österreich möglich ist, so die Auftraggeberin der Studie mit Blick auf Argentinien, wo jüngst eine einmalige Abgabe für Millionäre beschlossen wurde.

AK-Präsidentin Renate Anderl fordert auch angesichts der Kosten der Pandemie eine Abgabe für Millionäre.
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Ins gleiche Horn bläst Markus Marterbauer, Chefökonom der Arbeiterkammer. Die Krisenlasten würden vor allem von hunderttausenden Arbeitslosen, Selbstständigen, Jugendlichen und Kindern getragen. Also von Menschen, die zu den unteren 50 Prozent im Land gehören, die zusammen nur 2,8 Prozent des Vermögens in Österreich besitzen. Das sei wirtschaftlich nicht vernünftig und schon gar nicht gerecht, fordert auch Marterbauer einen Beitrag der Reichsten.

Einnahmen für den Staat

Die Studienautoren haben ihre Ergebnisse zum Anlass genommen, unterschiedliche Modelle einer Vermögenssteuer zu berechnen. Vier mögliche Steuertarife brächten jährlich mindestens fünf Milliarden Euro Euro ein. Thomas Pikettys Vorschlag eines Maximalvermögens – bzw. sehr hohe Steuersätze ab einem bestimmten Vermögen – würde mit 134 Milliarden Euro weitaus am meisten einbringen, so Studienautor Kapeller, der sich selbst für ein weniger radikales Modell aussprach, in dem die Steuersätze hoch genug sind, um eine weitere Vermögenskonzentration zu bremsen. (Aloysius Widmann, 22.12.2020)