Das Internierungslager Dhar el Jbel, drei Stunden südlich der Hauptstadt Tripolis.

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Folter, Gewalt, Missbrauch, Sklaverei und Ausbeutung gehören zum Alltag von Geflüchten, die in Libyen gestrandet sind. Neu sind die Berichte über Menschenrechtsverletzungen nicht, Hilfsorganisationen machen seit Jahren auf die verheerenden Zustände aufmerksam. Verändert habe sich jedoch nichts, sagt Lisa Macheiner, Einsatzleiterin von Ärzte ohne Grenzen (MSF) in Libyen: "Was wir sehen, ist vielmehr ein komplettes Versagen jeglicher Maßnahmen."

Situation in Internierungslager "katastrophal"

In dem Bürgerkriegsland gebe es keine Sicherheit für Geflüchtete, so Macheiner. Vor allem in den berüchtigten Internierungslagern, die eher Gefängnissen gleichen und in die aus Seenot gerettete Menschen gebracht werden, seien die Zustände "katastrophal". Das deutsche Außenministerium sprach 2017 gar von "KZ-ähnlichen Verhältnissen". Unzählige Flüchtende würden dort seit Jahren "festsitzen", sagt Macheiner, "viele sind als unbegleitete Minderjährige gekommen und inhaftiert worden und sind jetzt erwachsen geworden."

Sorge bereitet der Hilfsorganisation die Situation in dem Internierungslager Dhar el Jbel in der Nähe der Stadt Zintan, drei Stunden südlich der Hauptstadt Tripolis. Dort würde 120 Menschen seit Anfang November auf eine Evakuierung nach Tripolis warten. "Es wird kalt hier, die Menschen haben keine Winterkleidung und müssen teilweise unter freiem Himmel schlafen", erklärt Macheiner.

Resettlement-Kontingent soll aufgestockt werden

"Die Menschen fühlen sich einfach im Stich gelassen", berichtet die Einsatzleiterin. Man betrachte sie "als Ware, als Menschen, die keine Rechte haben", kritisierte sie. Es brauche dringend Schutzkonzepte und dauerhafte Lösungen. Letztere sieht Macheiner vor allem in einer Aufstockung der Aufnahmekontingente im Rahmen des Resettlement-Programms (Umsiedelung) der Vereinten Nationen.

In den ersten elf Monaten 2020 wurden nur 629 Menschen über das Programm des Uno-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) in Drittstaaten umgesiedelt. Im Vergleich dazu: Fast 11.000 Geflüchtete griff die libyschen Küstenwache in diesem Zeitraum auf, daraufhin wurden sie zurück in die Internierungslager gebracht. 2019 konnten immerhin rund 4.800 Menschen über Resettlement in EU-Staaten gelangen. Laut UNHCR sind derzeit rund 45.000 Flüchtlinge und Asylwerber in Libyen registriert. (APA, red, 22.12.2020)