Alexej Nawalny nach seiner Entlassung aus der Berliner Charité.

Foto: ALEXEI NAVALNY HANDOUT

Russland hat am Dienstag hochrangige Diplomaten aus mehreren EU-Staaten ins Außenministerium zitiert, um sein Missfallen über den Umgang dieser Länder mit dem Giftanschlag auf den Oppositionsführer Alexej Nawalny zu bekunden. Die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti meldete, Diplomaten aus Deutschland, Frankreich und Schweden seien in der Früh im Außenministerium in Moskau eingetroffen.

Dort wurden sie über weitere Einreiseverbote für EU-Vertreter in Kenntnis gesetzt. Die Erweiterung der Liste sei eine Antwort auf die Sanktionen gegen das Land. Das russische Außenministerium nannte keine Namen. Die EU hatte im Oktober vor allem auf Druck der Regierungen in Berlin und Paris Sanktionen gegen Personen im Umfeld von Russlands Präsident Wladimir Putin verhängt.

Telefonat mit Geheimdienstagent

Zudem wirft der Kreml Nawalny nach dessen Anschuldigungen gegen den russischen Geheimdienst FSB "Größenwahn" und "Verfolgungswahn" vor. Nawalny hatte FSB-Agenten vorgeworfen, sie hätten ihn jahrelang verfolgt und dann im August in der sibirischen Stadt Tomsk mit einem Nervengift der Nowitschok-Gruppe vergiftet. Der chemische Kampfstoff ist international verboten. Nawalny hatte zudem am Montag ein Telefonat veröffentlicht, in dem er nach eigener Darstellung mit einem FSB-Agenten über den Mordanschlag spricht. Demnach räumte der mutmaßliche Agent die Tat ein und nannte Details des Verbrechens, die von vielen Beobachtern in Russland als glaubwürdig eingestuft wurden. Der FSB hatte den Mitschnitt allerdings als "Fälschung" bezeichnet.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte am Dienstag, Nawalny versuche mit seinen Veröffentlichungen, dem Ansehen des FSB zu schaden. "Der FSB erfüllt nach der Verfassung eine sehr wichtige Rolle: Er schützt uns vor Terrorismus, vor Extremismus und vor verschiedenen tödlichen Gefahren", so Peskow. "Diese Rolle erfüllt der FSB sehr gut und sehr effektiv." Politologen hingegen nannten Nawalnys Veröffentlichungen eine beispiellose Bloßstellung des FSB.

Nowitschok-Vergiftung

Nawalny war am 20. August auf einem Flug vom sibirischen Tomsk nach Moskau zusammengebrochen. Zwei Tage später wurde der 44-Jährige, noch im Koma liegend, zur Behandlung in die Berliner Universitätsklinik Charité gebracht. Nach Angaben von drei europäischen Laboren, deren Ergebnisse von der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) bestätigt wurden, wurde Nawalny mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe vergiftet. Moskau bestreitet jede Beteiligung.

Deutschland, Österreich und andere Länder hatten Russland wiederholt aufgerufen, das Verbrechen aufzuklären. (APA, red, 22.12.2020)