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Seinetwegen wurde nicht nur in den Kindergärten enormer Aufwand getrieben: das Christuskind in der Futterkrippe (hier in einer Ulmer Ausführung).

Foto: dpa/Pointner

Dem Christkind sagen manche nach, es besitze lockiges Haar, das über seine Flügel fällt. Obendrein verfügt es über viel gesunde Kinderliebe, da es heimlich nachts Briefe von den Fensterbänken klaubt. Doch seltsam, der Status des Christkindes gilt sogar in gewöhnlich wohlinformierten Kreisen, gebildet aus Kaplan, Probst, Pfarrersköchin, bestenfalls als semi-legendär. Es bleibt hartnäckig unsichtbar.

Dabei liefert sein allweihnachtlicher Eifer die Grundlage für eine Erfolgsstory. Das Christkind, ein Vielflieger ohne CO2-Ausstoß, saust mit Anbruch des Heiligen Abends kreuz und quer durch die Lüfte. Dazu betreibt das holde Kind seit Jahrhunderten einen effizienten Paketdienst: Amazon avant la lettre.

In den daunenweißen Wintern der Kreisky-Ära wurde uns Babyboomern von der Kindergartentante aufgetragen, das Christkind gebührend willkommen zu heißen. Wie hätten wir der Aufforderung besser Folge zu leisten vermocht als durch Basteln frommer Krippen? Prompt entstanden luftige Kartongebilde, errichtet aus Käseschachteln. Betlehem sah aus wie eine Genossenschaftssiedlung von lauter Lagerhaus-Filialen.

Weise aus dem Morgenland

Um den Besuch der Weisen aus dem Morgenland gebührend abzubilden, machte ich mich alljährlich an die Errichtung des Dekorums. Mein Meisterstück bildete die Kokospalme: Indem ich Kartonröhren ein paar herzhafte Schnitte mit der Kinderschere beibrachte, glich bald ganz Bethlehem einem Dattelhain. Das Material meiner Baumschule bildeten geduldig abgearbeitete Klopapierrollen.

Jetzt konnten getrost Gold, Weihrauch und Myrrhe angeliefert werden. Was, um Gottes Willen, Myrrhe war? Keine Ahnung. Doch halt: Waren nicht die Eltern schon vor Aufputz des Christbaums verlässlich mürrisch? Der fertig geschmückte Baum verstrahlte jedenfalls den pompösen Schick einer verlebten Halbwelt-Dame. Doch Gott sei Dank ist das Christkind ja für alle da. (Ronald Pohl, 23.12.2020)