Benjamin Netanjahu hat es wieder geschafft. Indem der Großmeister der Intrige mit seiner Weigerung, ein Budget für 2021 zu verabschieden, die vierte Neuwahl in zwei Jahren erzwingt, verhindert er, dass er im kommenden Herbst das Amt des Regierungschefs an seinen tollpatschigen Koalitionspartner Benny Gantz abgeben muss. Bis zur Bildung einer neuen Regierung – und das kann lange dauern – bleibt der Langzeitpremier im Amt und ist damit vor dem Zugriff der Justiz geschützt, die ihn wegen Korruption verfolgt.

Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu.
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Nun sind auch Netanjahus Umfragewerte im Keller. Dennoch kann er mit Zuversicht in Neuwahlen gehen. Er hat zwar gestärkte Rivalen im rechten Lager, aber der Mitte-links-Block liegt durch den Kollaps von Gantz’ Kachol-Lavan-Bündnis darnieder. Und sollte es wirklich gelingen, zwei Millionen Israelis in kurzer Zeit gegen Covid-19 zu impfen, dann kann sich der Likud-Chef als Retter der Nation präsentieren.

Es ist in erster Linie die Schwäche von Mitte-links, der Netanjahu seine politische Langlebigkeit verdankt. Seit dem Untergang der Arbeitspartei, die Israel einst gegründet hat, tauchen alle paar Jahre neue Heilsbringer auf, die sich bald als Luftnummern erweisen. Vor allem fehlt diesen Politikern eine klare Antwort auf das Unrecht der Besatzung und das Streben der Ultrareligiösen nach gesellschaftlicher Hegemonie. Netanjahu mag zwar die Demokratie mit Füßen treten, aber auch vielen moderaten Wählern erscheint er als das kleinere Übel. (Eric Frey, 22.12.2020)