Der mit einer Stahllamelle verklebte Betonträger trägt seit dem 24. März 1970 eine Last von etwas mehr als sechs Tonnen.

Foto: Empa

Seit 50 Jahren läuft an der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) ein weltweit einzigartiges Klebstoffexperiment: Bei dem 1970 gestarteten Versuch geht es darum, das Langzeitverhalten von mit einem Betonträger verklebten Stahlteilen zu untersuchen. Oder mit anderen Worten: Wie dauerhaft verbindet Epoxidharz Stahl mit Beton. Untersuchungen wie diese haben dazu beigetragen, dass die Klebebewehrung als Verstärkungsmethode heute Stand der Technik ist.

Seit einem halben Jahrhundert läuft das Dauerexperiment im größten Prüflabor der Empa am Standort Dübendorf nahe Zürich. Dabei handelt es sich um einen 1970 hergestellten Stahlbetonträger, der mit einer auf seiner Unterseite aufgeklebten Stahllamelle zusätzlich verstärkt worden war und seitdem einer permanenten Belastung von etwas mehr als sechs Tonnen ausgesetzt ist. "Nach 50 Jahren unter 87 Prozent der mittleren Bruchlast zeigt die Epoxidharz-Verklebung keine Schwächen", sagt der Ingenieur Christoph Czaderski, der den Versuch in den letzten Jahren betreut hat. Man könne also behaupten, dass geklebte Stahllamellenbewehrungen den Langzeittest bestanden haben.

Fünf "Geschwister" fielen Ermüdungsversuchen zum Opfer

Der Träger ist eines von ursprünglich sechs identischen Exemplaren, die alle unterschiedlichen Tests unterzogen wurden. Den fünf "Geschwistern" war allerdings kein so langes Leben beschieden. Sie fielen recht erfolgreichen statischen Bruch- und dynamischen Ermüdungsversuchen zum Opfer, bei denen ihre Belastungsgrenze überschritten wurde. Ziel der Tests war es herauszufinden, wie gut sich Epoxidharz als Kleber zur Befestigung einer Stahllamelle an einem Betonträger bewährt. Beim Langzeitversuch zeigen sich nach 50 Jahren gemäß Czaderski in der Klebefuge "praktisch keine Verschiebungen".

Hintergrund dieser Arbeiten war, dass Ende der 1960er-Jahre bei einem neuen Industriebau in Kreuzlingen an diversen Sheddach-Fertigelementen aus Stahlbeton ungewöhnliche Rissbildungen auftraten. Diese wurden von einem Maler beim Streichen entdeckt. Zur Behebung des Schadens wurden die Elemente durch das Aufkleben von dünnen Stahllamellen nachträglich verstärkt. Diese Technik war damals allerdings erst in Ansätzen bekannt, Erfahrungen damit – vor allem über die Langzeitstabilität – fehlten. Die damalige Abteilung "Massivbau" der Empa unternahm daher verschiedene Tests mit statischen Belastungen bis zum Bruch, einem dynamischen Ermüdungsversuch und Langzeituntersuchungen. Der Langzeitversuch sollte bei einer dafür überdimensionierten Belastung ursprünglich eigentlich nur wenige Monate dauern.

Keine Veränderungen in der Klebefuge

Heute, 50 Jahre nach dem Start der Untersuchung, befindet sich der Träger noch immer in der Prüfhalle der Empa in Dübendorf. Die beteiligten Ingenieure befürchteten, als sie den Versuch starteten, dass sich die Verstärkungswirkung des aufgeklebten Stahls durch das Kriechen in der Klebefuge mit der Zeit verringern könnte. Eine Befürchtung, die sich nicht bewahrheitet hat. In der Klebefuge haben bis heute keine wesentlichen Verschiebungen stattgefunden, ein "wirklich erstaunliches und ausgesprochen bedeutsames Ergebnis", meint Czaderski. Die an der Empa durchgeführten Studien und der weltweit einzigartige Langzeitversuch an mit Epoxidharz-Kleber befestigten Stahllamellen haben letztlich dazu beigetragen, dass die Klebebewehrung als Verstärkungsmethode heute Stand der Technik ist. (red, 26.12.2020)