Ein paar Mal öfter werfen im Match: Das ist die Devise für Jakob Pöltl in größerer Rolle bei den San Antonio Spurs.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Jakob Pöltl fährt allein Auto auf dem Highway, natürlich ohne Maske auf. Vom Training geht es nach Hause. Regeneration ist angesagt. Viel Zeit zum Sinnieren hat er nicht. "Ich war nie einer, der groß aufmuckt. Ich bin da, um meinen Job zu machen, muss mich steigern", sagt Pöltl zum STANDARD. Der 25-jährige Wiener geht mit den San Antonio Spurs in seine fünfte NBA-Saison. Sie hat in der Nacht begonnen, Corona-bedingt so spät wie noch nie. Pöltl absolviert sein erstes Saisonspiel mit den Spurs in der Nacht auf den 24. Dezember, auswärts bei den Memphis Grizzlies. Die Welt des Jakob Pöltl hat sich gröber verändert, nicht nur durch das Virus. Ende November unterschrieb er einen Dreijahresvertrag bei den Spurs für 26,25 Millionen Dollar.

Die Verhandlungen hat der 2,13- Meter-Mann nur teilweise genossen, "es war manchmal mühsam". Die Spurs präsentierten Pöltl seinen vom Verein geschätzten Marktwert, der Wiener hörte sich auch Angebote anderer Teams an. Auf eine zu fordernde Mindestsumme hatte er sich mit seinem Agenten vorab nicht festgelegt. Herausgekommen ist ein fairer Deal, Risiko ausgeschlossen. "NBA-Teams haben wegen Corona eingeschränkten Gehaltsspielraum. Da musste ich mit weniger rechnen, als vielleicht möglich gewesen wäre. Ich bin aber zufrieden."

Ansehen durch Erfahrung

Pöltls Ansehen in der Mannschaft ist gestiegen. Das hat weniger mit seinem neuen Vertrag, sondern mehr mit seiner Erfahrung zu tun. "Ich werde ernster genommen. Die jüngeren Spieler fragen mich um Rat, ich habe mittlerweile doch schon viel gesehen in der Liga." 301 Spiele hat Pöltl bisher in der National Basketball Association bestritten. "Den einen oder anderen Kommentar von meinen Teamkollegen darf ich mir nun anhören. Etwa, dass ich jetzt öfter beim Essen zahlen soll."

Bild nicht mehr verfügbar.

Pöltl bei einem Dunk vor vollen Rängen. Wegen fehlender Kartenverkäufe verloren die NBA-Teams während der Pandemie eine knappe Milliarde Dollar.
Foto: Reuters/ Daniel Dunn-USA TODAY Sports

Weniger als drei Monate nach dem Titelgewinn der Los Angeles Lakers startet die neue Saison mit alten Problemen. Die Geldmaschinerie NBA ist ins Stocken geraten. Durch die Pandemie waren die Erlöse in der Saison 2019/20 bereits um zehn Prozent auf 8,3 Milliarden Dollar gesunken. Allein wegen fehlender Kartenverkäufe verloren die Teams eine knappe Milliarde. Die Tickets sind bereits teuer. In einer Zukunft, in der irgendwann wieder vor Fans gespielt wird, werden sie sündhaft teuer. Einnahmen lukriert die Liga derzeit vor allem durch ihren TV-Vertrag mit den amerikanischen Fernsehsendern ESPN und TNT, der für neun Spielzeiten von 2016 bis 2025 24 Milliarden Dollar einbringt. Einen Spielplan gibt es vorerst nur bis Mitte März. Für die Spieler wird Corona aber auch positive Effekte haben. In der ersten Saisonhälfte sollen die Teams in Mini-Serien viermal in einer Stadt gegen den gleichen Gegner antreten. Das reduziert Reisestress, spart Kraft. Sonniger und wärmer wird es für Toronto. Weil das Überqueren der kanadischen Grenze wegen der Quarantänevorschriften nicht möglich ist, tragen die Raptors ihre Heimspiele bis auf weiteres in Tampa, Florida, aus.

Das Playoff ist das Ziel für Pöltl und San Antonio. Allein der Weg dorthin wird schwer bis unmöglich. In der Western Conference ist die Konkurrenz mächtig, die Favoriten kommen aus Los Angeles, Denver, Utah. Die Spurs haben viele junge, unerfahrene Spieler. Hoffnung macht Pöltl eine Modusänderung. Vor dem Playoff gibt es ein "Play-in-tournament": In jeder Conference spielen die Mannschaften auf den Plätzen sieben bis zehn um je zwei Tickets für die Meisterrunde der besten acht. Ob Pöltl endlich die Erlaubnis bekommt, im Spiel Dreier zu werfen? "Jein. Bei den Spurs hat das keine Priorität. Mein Trainer würde sich nicht beschweren, wenn ich mal einen offenen Dreier nehmen würde. Aber noch hab ich das Gefühl, dass wir in der Offensive bessere Optionen haben."

Zehn Spiele weniger

Noch eine Erleichterung gibt es für die Spieler, die aber handfeste finanzielle Gründe hat: Die Saison sieht nur 72 Spiele im Grunddurchgang vor, 82 Partien wären es in einer regulären Saison gewesen. In seinen vier Spielzeiten hat Pöltl bisher insgesamt 12,2 Millionen Dollar verdient. In der Blase von Orlando zeigte er zum Ende der vergangenen Saison mit guten Leistungen auf, kam in acht Spielen im Schnitt auf je 7,4 Punkte und Rebounds. "Es wird vom Gegner abhängen, in welchen Situationen ich mehr scoren muss. Da war ich in der Vergangenheit zu passiv."

Sein Rüstzeug für ein starkes Defensivspiel beschert Pöltl den angenehmen, zukünftigen Lebensabend. In der vergangenen Saison blockierte Pöltl 1,4-mal pro Spiel Würfe des Gegners, das ergab unter allen NBA-Spielern Rang acht. Freuen kann sich Pöltl über das bisher Erreichte vor allem alleine. Abgesehen vom Training, bei dem auch täglich getestet wird, und den Matches verbringt Pöltl die Zeit in seiner Wohnung in San Antonio in Selbstisolation: "Ich werde sicher kein großes Weihnachtsfest haben, auch keines zu Silvester. Aber das geht ja nicht nur mir so."

Brooklyns Ausrufezeichen

Eröffnet wurde die Saison mit dem beeindruckenden 125:99 der Brooklyn Nets über die Golden State Warriors. Gegen seinen Ex-Klub brillierte Kevin Durant in seinem ersten Spiel seit dem 10. Juni 2019 nach überstandenem Achillessehnenriss mit 22 Punkten, Mitspieler Kyrie Irving kam auf 26 Zähler.

Die Los Angeles Lakers verloren gegen die Clippers mit 109:116. Top-Scorer der Lakers war LeBron James mit 22 Zählern. Der Superstar wurde allerdings überstrahlt von den Clippers-Leadern Paul George (33 Punkte) und Kawhi Leonard (26). (Florian Vetter, 23.12.2020)