Die 2018 verabschiedeten Kunststoffrecyclingziele der Europäischen Kommission sind für die meisten EU-Mitgliedsländer schwer zu erreichen. Sie geben vor, dass Kunststoffabfälle bis zum Jahr 2030 zu mindestens 50 Prozent recycelt werden, Verpackungen zu 55 Prozent. Für Österreich, wo heute ein sehr hoher Anteil der Kunststoffabfälle – über 70 Prozent – thermisch verwertet wird, hat das Umweltbundesamt in einer Studie gerade festgestellt, dass "mit der bestehenden Anlagenstruktur und den derzeitigen finanziellen Rahmenbedingungen die EU-Ziele nur schwer erreicht werden können".

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Eines der größten Probleme beim Kunststoffrecycling ist, dass die verschiedenen Materialien selten in Reinform vorliegen. In der Industrie sucht man nach Strategien, um die daraus resultierenden Probleme besser lösen zu können.
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Die Zielvorgaben stellen rechtliche, wirtschaftliche und technologische Anforderungen an Unternehmen und Verwaltungen. Fraglich ist, ob legislative Anpassungen schnell genug umsetzbar sind, wie ein Umbau der Recyclinginfrastruktur bei den viel zu billigen Kunststoffpreisen gelingen kann, aber auch wie die technologischen Prozesse aussehen können, mit denen die größeren Mengen bewältigt werden können. In Bezug auf die technischen Umsetzungspläne einer Kreislaufwirtschaft im Kunststoffbereich war eine kürzlich in digitaler Form abgehaltene Forschungspressekonferenz des Chemiekonzerns BASF – der in Österreich auch Mitglied des Fachverbands der chemischen Industrie (FCIO) ist – aufschlussreich.

Grundsätzlich können mechanische und chemische Recyclingwege unterschieden werden. Mechanisch bedeutet, dass die Kunststoffe sortiert, gewaschen, geschreddert und zu Granulat verarbeitet werden, das dann per Spritzgussverfahren wieder in neue Formen gebracht wird. Laut Zahlen des Beratungsunternehmens Conversio, die BASF kolportiert, werden im EU-Raum bereits gut 31 Prozent der Kunststoffabfälle auf diese Art bearbeitet. Über 40 Prozent werden dagegen thermisch verwertet, knapp 25 Prozent landen auf Deponien. Weltweit liegt die Quote des mechanischen Recyclings bei 20 Prozent.

Keine sortenreinen Abfälle

Alice Glättli, Vice President Strategy & Innovation Performance Chemicals, umriss bei dem BASF-Event die Hürden bei diesen Recyclingwegen. Zum einen verschlechtert sich die Materialqualität der im Kreislauf geführten Materialien mit der Zeit, Polymerketten leiden unter thermischer und mechanischer Beanspruchung. Zum anderen liegen die Kunststoffabfälle selten in 100-prozentiger Reinheit vor – etwa wenn PET-Flaschen samt Verschluss aus Polypropylen im Abfallfluss landen. "Die Qualität verschlechtert sich bei jedem Recyclingzyklus. Das macht es schwierig, aus recyceltem Kunststoff wieder Produkte für gleichwertige Anwendungen herzustellen", resümiert Glättli.

Um diesem Problem zu begegnen, kommen spezielle Zusatzstoffe, sogenannte Additive, ins Spiel. Diese Stoffklasse, die in geringen Mengen zugesetzt wird, um im Material bestimmte Eigenschaften zu erreichen, ist – vom Weichmacher bis zum Farbmittel – aus der Kunststoffindustrie nicht wegzudenken. Nun werden allerdings Additive entwickelt, die speziell auf Recyclingprozesse abgestimmt sind. Sie stabilisieren beschädigte Materialien, unterbinden schädliche Reaktionen oder stellen eine ästhetische Qualität wieder her. Materialmischungen werden mithilfe eines "Verträglichkeitsvermittlers" dazu gebracht, sich wieder besser zu verbinden. Instabilität und Bruchstellen werden so verhindert.

Je nach Abfallstrom ist bei dieser Art der Wiederverwertung also eine eigene Mischung an verschiedenen Additiven nötig. Bei BASF, wo man darauf verweist, eines der größten Additiv-Portfolios zu bieten, rechnet man bis 2030 mit der Verdreifachung von mechanisch zu recycelnden Kunststoffen. Ein Teil der erforderlichen Zusatzstoffe wird in der Praxis bereits eingesetzt, andere – etwa die Verträglichkeitsvermittler – sind noch in Entwicklungsphasen.

Chemisches Recycling als Hoffnung

Die Methoden der chemischen Wiederverwertung, die gerade bei vielen gemischten und schwer trennbaren Kunststoffabfällen ein großer Hoffnungsträger sind, werden bereits seit Jahrzehnten beforscht. In der Praxis werden sie aber bisher nur in geringem Maß eingesetzt – die Conversio-Zahlen weisen für die EU ein Volumen von 0,1 Prozent aus. BASF-Projektleiter Christian Lach sieht hier "gewaltige Wachstumschancen". Grundsätzlich werden bei dahingehenden Ansätzen die Polymerketten, aus denen die Kunststoffe bestehen, in einem Pyrolyse-Prozess aufgespalten und zerstört. Die resultierende ölartige Substanz kann der Kunststoffproduktion in einer frühen Phase – etwa beim sogenannten Steam-Cracking-Prozess – wieder zugeführt werden.

Eine der großen Herausforderungen in diesem Bereich liegt in Kunststoffarten, die nicht nur aus Kohlenwasserstoffverbindungen bestehen, sondern etwa auch Chlor, Sauerstoff oder Stickstoff beinhalten, erläutert Lach. Diese Elemente greifen beispielsweise Anlagen an oder können ein Explosionsrisiko verursachen. Der Pyrolysestrom muss deshalb eigene Aufreinigungskatalysatoren durchlaufen, in denen die Stoffe abgeschieden werden. Hier liegt im Moment der Forschungsfokus von BASF – die Aufreinigungsprozesse müssen weiter optimiert und auf industrielle Maßstäbe hochskaliert werden. 2021 ist dazu mit Partnern eine Pilotanlage in Norwegen geplant, 2022 möchte man mit der Planung großtechnischer Umsetzungen beginnen. (Alois Pumhösel, 27.12.2020)