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In Südafrika klärt medizinisches Personal HIV-positiv getestete Menschen darüber auf, wie sie sich vor Covid-19 schützen können.

Foto: AP / Bram Janssen

Schlechte Nachrichten von einer fast vergessenen Epidemiefront. Anlässlich des Welt-Aids-Tags Anfang des Monats warnte die Fachwelt, dass die im Kampf gegen das Immunschwäche-Virus für dieses Jahr gesteckten Ziele nicht erreicht würden: Der in den vergangenen zwei Jahrzehnten erzielte Fortschritt drohe sogar wieder zunichte gemacht zu werden.

Wegen der Corona-Epidemie sei in diesem Jahr mit fast 300.000 zusätzlichen HIV-Neuinfektionen und knapp 150.000 zusätzlichen Aids-Toten zu rechnen, gab UN-Aids- Direktorin Winnie Byanyima jüngst vor Journalisten bekannt. Ohnehin sei die Menschheit im Kampf gegen die Epidemie "noch weit von ihrem Ziel entfernt", sagte Byanyima: "Jetzt bringt uns die Corona-Pandemie vollends vom Kurs ab."

Engpässe bei Arzneimitteln

Weithin verhängte Ausgangssperren, Unterbrechungen der Lieferketten und die Verlagerung finanzieller Mittel auf die Bekämpfung der Corona-Pandemie hätten den Zugang zu lebenswichtigen Gesundheitsdiensten für HIV-positive Menschen stark eingeschränkt, meldet die Hilfsorganisation One.

Vor allem aus den ärmeren Staaten der Welt werden seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie Engpässe bei der Ausgabe von antiretroviralen Arzneimitteln, Aidstests sowie von vorbeugenden Medikamenten gemeldet. Außerdem sind Gesundheitszentren dermaßen mit der Behandlung von Covid-Kranken ausgelastet, dass sie sich um HIV-positive Patienten kaum kümmern können. Aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus halten viele HIV-Infizierte auch Abstand zu Krankenhäusern, in denen sie gewöhnlich ihre lebensnotwendigen Medikamente erhalten.

Die Aidsbekämpfer wollten die Zahl der Opfer in diesem Jahr auf unter 500.000 bringen. Doch schon 2019 starben noch immer weltweit 770.000 Menschen an den Folgen der Virusinfektion, und in diesem Jahr ist mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. "Wir drohen alles zu verlieren, was wir im vergangenen Jahrzehnt erreicht haben", klagt der Direktor des Globalen Fonds, Peter Sands. Der Fonds war vor 18 Jahren für die Finanzierung von Interventionen gegen Krankheiten wie Malaria, Tuberkulose und HIV/Aids eingerichtet worden.

Knapper werdende finanzielle Mittel werden als Hauptgrund für die Gefährdung der Fortschritte im Kampf gegen die Aidsepidemie angeführt. Schon im vergangenen Jahr standen den Aidsbekämpfern sieben Prozent weniger als zwei Jahre zuvor zur Verfügung.

Geld benötigt

Und in diesem Jahr müssen sie auf fast ein Drittel der als notwendig erachteten 26 Milliarden US-Dollar verzichten. Der Fonds benötige dringend fünf Milliarden Dollar, um seine Anstrengungen gegen die Corona-Pandemie fortsetzen und die Fortschritte bei der Bekämpfung von HIV, TB und Malaria sichern zu können", sagte Fondsdirektor Sands.

Noch immer breitet sich das HI-Virus äußerst rasant aus: Jede Minute stecken sich weltweit drei Menschen mit dem Erreger an. Allerdings erhalten inzwischen gut 25 Millionen von knapp 40 Millionen Infizierten antiretrovirale Medikamente und können auf diese Weise ein weitgehend uneingeschränktes Leben führen.

Die Zahl der Aidstoten wurde trotz steigender Infektionszahlen in den vergangenen zwei Jahrzehnten halbiert. In Ländern wie Südafrika wurde das sogenannte "90:90:90-Ziel" beinahe erreicht: Damit ist gemeint, dass 90 Prozent aller Infizierten ihren Status kennen, 90 Prozent über antiretrovirale Medikamente verfügen und 90 Prozent eine derart niedrige Virenzahl haben, dass sie nicht mehr ansteckend sind. Jetzt droht die Corona-Pandemie den Fortschritt wieder zunichtezumachen.

Allerdings tauchte kürzlich auch ein Silberstreifen am Horizont auf. Bei einer Versuchsreihe in Johannesburg stellte sich ein alle zwei Monate gespritztes Präparat bei der Vorbeugung von HIV-Infektionen als äußerst effektiv heraus. Nur 0,21 Prozent der mit Cabotegravir behandelten Frauen steckten sich innerhalb von mehr als zwei Jahren mit dem Virus an.

Sie habe die Nachricht "mit Begeisterung" gehört, sagte UN-Aids-Direktorin Byanyima. Allerdings stelle sich auch in diesem Zusammenhang die Frage, ob das Präparat schließlich erschwinglich und in allen Teilen der Welt zugänglich sei. (Johannes Dieterich, 26.12.2020)