Christoph Wenisch, der im Klinikum Favoriten, vormals Franz-Josef-Spital, als Teil der Avantgarde in der Behandlung von Covid-Erkrankungen kämpft, hat es auf Puls 4 bei Corinna Milborn unmissverständlich gesagt: Vom Infektionsstandpunkt aus wären Weihnachten und Silvester ersatzlos zu streichen. Wenn die Regierung zumindest Weihnachten begrenzt "freigegeben" hat, so sei das keine medizinische Entscheidung gewesen, sondern eine politische. Man habe den Menschen dieses Fest nicht wegnehmen können. Alles andere sei eine Frage des persönlichen, möglichst vernünftigen Verhaltens.

Das war es schon seit Beginn der Pandemie. Was die Regierung beitragen konnte, waren die Sicherung von Infrastruktur für Testen und Behandlung (halbwegs erreicht) und ein konsistenter Plan (nicht erreicht).

Impfzentrum in Deutschland.
Foto: imago/Marc Schüler

Die blanke Unvernunft weiter Bevölkerungskreise und die Vernunftvernichtung durch Corona-Obskurantisten, denen in manchen Medien eine Bühne geboten wurde, bleiben hier einmal unerwähnt.

Die türkis-grüne Koalition ist nach dem Hü-hott-Verfahren vorgegangen: anfangs Paukenschlag mit strengem Lockdown im Frühjahr, aber dann gleich wieder Lockerung im Frühsommer, weicher Lockdown im Frühherbst, harter Lockdown im Spätherbst und zum Jahreswechsel.

All das begleitet von x Ausnahmen, die, besonders von türkiser Seite, klientelgesteuert waren (nicht nur die Skilifte), von schlechter Administration besonders im grünen Gesundheitsministerium, aber auch – wie sich immer mehr herausstellt – von Beratung durch fragwürdige Experten. Im türkisen Bereich waren die Maßnahmen nicht nur durch (ländliche) Klientelpolitik, sondern auch durch kleingeistige Boshaftigkeiten vor allem gegenüber dem "roten Wien" gekennzeichnet (dort leistete man sich allerdings auch kontraproduktive Bestemmhaltungen gegen die Regierung).

Kein Freispruch

Besonders bedenklich war/ist die Propaganda, vor allem des Kanzlers, der nicht müde wird herauszustreichen, wie viel besser Österreich doch die Krise gemeistert habe, während es im Herbst Phasen gab, wo die Todesopfer doppelt so hoch lagen wie in den USA.

Türkis-Grün hat keine wirkliche, ausgefeilte Strategie gegen die Pandemie. Man muss aber sagen, dass das im Rest Europas auch so ist. Vor kurzem veröffentlichten in der führenden medizinischen Fachzeitschrift "Lancet" führende europäische Experten einen Aufruf an die europäischen Regierungen, sich auf "klar formulierte gemeinsame Ziele zu einigen, ihre Anstrengungen zu koordinieren, regionale Strategien zu entwickeln und resolut auf niedrige Fallziffern hinzuarbeiten".

Das ist kein Freispruch für die Management- und Strategiequalitäten unserer Regierung. Bei uns kamen noch unnötige politische Kleingeldsammlungen dazu. Vor allem aber stellt sich die Frage, ob das Management der kommenden Impfkampagne auch so ablaufen wird: begleitet von falschen Einschätzungen, nonchalanten, altösterreichischen Beruhigungen der Gesundheitshochbürokratie ("tuts euch net so aufregen") und schlichtem Setzen aufs falsche Pferd.

Bei der Impfung dürfen unsere Funktionseliten nicht mehr so viel vernudeln. (Hans Rauscher, 22.12.2020)