Bauernvertreter und Brückenbauer: Leopold Figl (1902–1965)

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St. Pölten – Leopold Figl, der erste Bundeskanzler der Zweiten Republik (1945–1953), Außenminister zum Abschluss des Staatsvertrags (1953–1959) und niederösterreichische Landeshauptmann (1961–1965), soll von der katholischen Kirche seliggesprochen werden. Bischof Alois Schwarz sagte dem Privatsender P3tv, die Vorbereitungen seien bereits im Gange, ein Geistlicher sammle derzeit alle nötigen Informationen.

Im Verfahren zur Seligsprechung eines Katholiken zählen sowohl Wunder als auch Martyrien in der Folge des Glaubensbekenntnisses.

Ein Märtyrer unter den Nazis

Figl war für seine christlichsoziale Haltung bekannt und wurde deshalb vom Naziregime ins KZ gesperrt, wo er halb totgeprügelt wurde. Gesundheitlich hat er sich vom KZ-Aufenthalt nie erholt. Die Nazis haben ihn unmittelbar nach der Besetzung Österreichs am 12. März 1938 verhaftet, nach Dachau und Flossenbürg verschleppt und erst 1943 entlassen.

Bischof Schwarz argumentiert, dass Figl an den Spätfolgen der Misshandlungen im KZ verstorben ist. Nach seiner KZ-Entlassung arbeitete Figl im Bauunternehmen seines Amtsnachfolgers Julius Raab (Bundeskanzler von 1953 bis 1961), wurde vom NS-Regime neuerlich verhaftet und bei Kriegsende aus der Todeszelle im Grauen Haus entlassen.

Gründer der ÖVP und Wiedergründer des Bauernbunds

Unmittelbar danach war er einer der Gründer der ÖVP, in der er den Bauernbund repräsentiert hat. Niederösterreichs Landeshauptfraustellvertreter Stephan Pernkopf, der gleichzeitig als Obmann des niederösterreichischen Bauernbunds ein Nachfolger Figls ist, sagte dem STANDARD: "Figl hat unser Land geprägt, er hatte Rückgrat und Hausverstand."

Der 1902 geborene Bauernsohn Figl war eines von neun Kindern auf einem Hof in Rust im Tullnerfeld. Nach dem Studium trat er in den Dienst des niederösterreichischen Bauernbunds und wurde dessen Direktor. Im Ständestaat war er Bauernvertreter und strikter Gegner des Nationalsozialismus. Dass ihn die Nazis dafür misshandelt haben, hat er nach Bekunden seiner Tochter Anneliese nie im Familienkreis thematisiert.

Versöhnung mit Sozialdemokraten

Nach dem Krieg stand er für Versöhnung: Er wehrte sich dagegen, dass Österreich eine Mitschuld am Krieg gegeben würde, und war "im Geist der Lagerstraße" auch den von den Nazis verfolgten Sozialdemokraten freundschaftlich verbunden. Dass er dem linken Lager gegenüber zu nachgiebig erschien, führte 1953 zu seiner Ablöse als Bundeskanzler.

"Der Mann hat so viel Hoffnung gebracht. (...) Er war nie nachtragend. Und hat im KZ Schläge erhalten, die ihm eigentlich das Leben gekostet haben", sagte Bischof Schwarz am Dienstag. Das Verfahren müsse "natürlich seinen Weg gehen: in die Bischofskonferenz, Zustimmung und dann nach Rom", blickte Schwarz voraus. Im Seligsprechungsverfahren könnte helfen, wenn Katholiken bezeugen, dass ihnen Figl im Gebet Kraft gegeben und womöglich durch Fürsprache bei Gott Wunder gewirkt habe.

Bisher nur weltlich

Seliggesprochene Christen dürfen nach dem Verständnis der Kirche öffentlich verehrt werden. Weltliche Verehrung genießt der ÖVP-Politiker bereits: Nach ihm ist eine Gasse neben dem ehemaligen Landhaus in Wien benannt, auf dem Minoritenplatz steht seit 1973 ein von Franz Anton Coufal geschaffenes Denkmal, und im Bundeskanzleramt wurde diese Woche zum 75. Jahrestag von Figls Ernennung zum Bundeskanzler der Steinsaal in Leopold-Figl-Saal umbenannt. (Conrad Seidl, 23.12.2020)