Sein Zorn war groß: "Das Ganze war manipuliert! Sie sollen zugeben, dass es ein Betrug war!" Er schimpfte wie ein sechsjähriger Bub. Aber Calvin war ja auch sechs (oder was haben Sie geglaubt, wer das war?), und er war wütend, weil sein mit Spaghettisauce zusammengeschustertes Verkehrssicherheitsplakat nicht den Schulwettbewerb gewonnen hatte. So ging es alle Tage, immer geschah irgendetwas, das ihn ärgerte, zu mehr oder weniger folgenreichen Taten animierte oder in Fantasiewelten flüchten ließ. Ein Jahrzehnt lang waren er und sein Plüschtiger Hobbes die Titelhelden einer wunderbaren Geschichtensammlung, täglich als Comicstrip zu verfolgen.

Calvin und Hobbes zeigt eine Welt, wie ein Kind sie sich zurechtlegt.
Comic: Calvin and Hobbes © 1995 Watterson. Abdruck mit Erlaubnis von Andrews McMeel Syndication. Alle Rechte vorbehalten.

Vor genau 25 Jahren erschien Calvin und Hobbes zum letzten Mal, dann war Schluss. Aber nicht wirklich. Denn die beiden sind ungebrochen beliebt. Regelmäßig erscheinen neue Sammelbände, Ausstellungen würdigten den Strip, Tageszeitungen drucken Re-Runs ab (laut Auskunft des Syndikats in mehr als 50 Ländern), online auf GoComics sind sie die Favoriten, und vor wenigen Tagen erschien bei Carlsen die deutsche Gesamtausgabe in Softcover, sämtliche Folgen in vier Bänden.

Der Pynchon der Comics

Andererseits war aber doch Schluss. Bill Watterson, der Schöpfer des Strips, tat etwas Ungewöhnliches: Er hörte auf, als es am schönsten war. Er hatte das Gefühl, schrieb er später, "alles erreicht zu haben, was ich mir vorgenommen hatte". Nicht nur das, er ließ, wie zuvor, weiterhin kein Merchandising zu, gegen den Willen seines Verlags keine T-Shirts, keine Heferln, keine Socken mit beiden Helden drauf. George Lucas und Steven Spielberg bemühten sich vergeblich um die Rechte für Zeichentrickfilme. Watterson zog sich zurück, es gibt fast nie Interviews, keine Fotos, den "Pynchon der Comics" nannten ihn Medien. Das Werk, so seine Haltung, soll für sich sprechen.

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Bill Watterson, der Schöpfer von Calvin und Hobbes, tat etwas Ungewöhnliches: Er hörte auf, als es am schönsten war.
Foto: AP/C.H. PETE COPELAND

Watterson malte uns die Welt aus, wie ein Kind sie sich zurechtlegt. Zwischen manchmal hilflosen Eltern, einer kaum erträglichen Schule, einer gefürchteten Babysitterin und einer klugen und daher umso mehr bekämpften Nachbarstochter schlängelt sich Calvin durch den Alltag. Auch wenn er immer wieder scheitert, folgt er seinen Impulsen. Um Freud im Grab umzudrehen: Wo Ich war, soll bei Calvin Es werden.

In seiner Flucht vor zu viel Wirklichkeit mutiert er zum Raumfahrer, zum Superhelden oder zum Privatdetektiv. Sein einziger Freund ist Hobbes, das Plüschtier, das in Abwesenheit Dritter zum Partner und Mentor wird: "Ich glaube, das wird deine Mami stören", merkt dieser an, als Calvin das Auto der Eltern in den Graben rollen lässt. Gemeinsam sind sie das Kind in uns, die anarchische Art, die wir nicht (mehr) ausleben.

Als Vorbilder nannte Watterson neben Krazy Kat und Pogo die Peanuts. Er selbst arbeitete experimenteller als der Minimalist Charles M. Schulz, er zitierte etwa die Stimmung eines Film noir oder die Kubisten. Für den 31. Dezember 1995 zeichnete er einen schönen Abgang: "Ein neues Jahr, ein frischer neuer Start ... Es ist eine magische Welt, Hobbes, alter Freund", sagt Calvin, während sie auf dem Schlitten in eine Schneelandschaft fliegen, "gehen wir auf Entdeckungsreise!" So viel Optimismus können wir gut brauchen. (Michael Freund, 26.12.2020)