Dann mal weg: Arktische Erdhörnchen verschlafen acht von zwölf Monaten.

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Im Wachzustand heißt es dann kräftig futtern.

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Sie sind klein, flauschig, süß – und haben das Nichtstun zur Meisterschaft gebracht: Arktische Erdhörnchen, auch Arktische Ziesel oder lateinisch Urocitellus parryii genannt, verschlafen ganze acht Monate des Jahres. Dafür fahren sie ihren Stoffwechsel auf ein Minimum herunter, das Wissenschafter staunen lässt. Seit Jahren wird daran gearbeitet, die physiologischen Prozesse genauer aufzuklären, die den Extremschlaf ermöglichen. Denn sie könnten auch für die Medizin von Bedeutung sein.

Während des Winterschlafs sinkt die Körpertemperatur der in Sibirien, Alaska und Kanada heimischen Hörnchen von 37 Grad Celsius auf unter null Grad ab – ohne, dass dabei Zell- oder Organschäden auftreten würden: Ein körpereigenes Frostschutzprogramm verhindert das Gefrieren ihres Blutes. Ihr Herz schlägt derweil statt 200-mal nur noch drei- bis fünfmal pro Minute, ein Atemzug pro Minute ist genug.

Metabolisches Geheimnis

Natürlich legen sich die Nager üppige Winterreserven an, im Sommer verdoppeln sie ihr Körpergewicht nahezu. Wie sie aber so lange abschalten können, ohne körperliche Schäden zu erleiden, hat nun auch ein Forscherteam um Sarah Rice von der University of Alaska Fairbanks untersucht. Wie die Wissenschafter im Fachblatt "Nature Metabolism" berichten, hilft offenbar ein ausgeklügeltes Recyclingsystem dabei.

Für ihre Studie beobachteten Rice und Kollegen Arktische Erdhörnchen über zwei Jahre hinweg im Labor und analysierten dabei die metabolischen Prozesse der Tiere. Dafür verwendeten die Forscher unter anderem sogenannte Tracer-Technologien, mit denen sich Moleküle markieren und ihre Wege und Reaktionen im Stoffwechsel untersuchen lassen. Auf diese Weise konnten sie den Nährstoffkreislauf in den schlafenden Nagern nachvollziehen.

Molekulare Wiederverwertung

Wie sich herausstellte, sind die Hörnchen exzellente Wiederverwerter. Beim Abbau von Muskulatur entstehen normalerweise einzelne Aminosäuren, die verstoffwechselt werden. Dabei wird Stickstoff freigesetzt, der dann über die Nieren ausgeschieden wird. Im Fall der Nager läuft das aber anders: Bei ihnen wird der freigewordene Stickstoff wieder in Aminosäuren umgewandelt, die sich erneut zu Proteinen zusammensetzen und damit das zuvor abgeschwächte Muskelgewebe und Organe stärken. Dieser Mechanismus scheint dem gefährlichen Gewebeabbau entgegenzuwirken.

"Die biochemischen Grundlagen dieses Extremschlafs könnten auch für medizinische Anwendung am Menschen relevant sein, unter anderem zur Verhinderung von Muskelschwund bei Krebspatienten oder älteren Personen", schreiben die Forscher. Aber auch die Weltraummedizin hat längst ein Auge auf die Arktischen Erdhörnchen geworfen: Der Verlust an Muskelmasse und andere psychologische und physiologische Strapazen langer Weltraumflüge stellen die astronautische Raumfahrt vor große Probleme.

Astronauten auf langen Reisen durchs All in eine Art Winterschlaf zu versetzen, klingt nach Science Fiction. Die Forschung dazu könnte sich aber lohnen, sagte Kelley Drew, Koautor der aktuellen Studie. "Ein langfristiges Ziel ist es sicher, Stoffwechsel-Anpassungen an den Winterschlaf in Menschen nachzubilden." Der Weg bis dahin sei freilich weit, so der Forscher. Woran es sicher nicht scheitern wird, steht aber schon jetzt fest: am Winterspeck. (dare, 6.1.2021)