Ein Tesla Model S auf der Brüsseler Motorshow Anfang 2020.

Foto: Imago

Augenzeugen staunten nicht schlecht, als sie am 9. Juli diesen Jahres zwischen Edmonton und Calgary auf ein Tesla Model S aufmerksam wurde. Das Auto, so der Polizeibericht, war auf den ersten Blick scheinbar ohne Fahrer am Highway 2 unterwegs. Hinter dem Lenkrad war niemand zu erkennen.

Erst bei der Anhaltung des Fahrzeugs durch die Polizei lüftete sich das Geheimnis. Zwei Personen waren in dem Fahrzeug. Doch sowohl der Fahrer. Leran C., als auch Beifahrer hatten geschlafen und dafür die Lehne ihrer Sitze vollständig nach hinten geklappt. Gesteuert wurde das Auto, das mit bis zu 150 km/h unterwegs war, vom "Autopilot"-Feature der Onboardsoftware, berichtet Global News.

Erster Fall seiner Art

Der Vorfall brachte dem 20-Jährigen nicht nur einen eintägigen Führerscheinentzug Müdigkeit am Steuer ein, sondern auch eine Anzeige wegen Verkehrsgefährdung und Geschwindigkeitsübertretung. Doch so einfach gelagert ist der Fall dennoch nicht. Man betritt juristisches Neuland, erklärt die bekannte Anwältin Kyla Lee.

Noch nie wurde in Kanada jemand vor Gericht gebracht, weil er in einem Auto mit teilautonomen Steuerfunktionen geschlafen hat. Für die kanadische Polizei liegt der Fall dennoch klar: Das Model S sei kein selbstfahrendes Auto, es sei immer noch der Fahrer in der Verantwortung, erklärt man.

Immer wieder Kritik an Tesla wegen Werbung

Es ist nicht das erste Mal, dass der Tesla "Autopilot" von jemandem genutzt wurde, um die Verantwortung als Fahrer abzugeben. In den USA gab es in diesem Zusammenhang mehrere Vorfälle, darunter einen tödlichen Unfall.

Der Hersteller selbst wurde immer wieder für seine Werbestrategie kritisiert, die nicht nur aufgrund der Bezeichnung der Hilfsfunktion den Eindruck erwecken konnte, dass die Autos bereits "selbstfahrend" seien, obwohl in Handbüchern und von der Onboardsoftware selbst darauf hingewiesen wurde, dass man bei der Inanspruchnahme der automatischen Lenkung weiterhin den Straßenverkehr im Auge behalten solle, um eingreifen zu können. Tesla spricht auf seiner US-Website mittlerweile von "fortgeschrittener Hardware, die in der Lage ist, heute Autopilot-Funktionen und in Zukunft komplett autonomes Fahren anzubieten."

Präzedenzfall

Nach Einschätzung der kanadischen Verkehrsbehörde, Transport Canada, hätten aktuelle Assistenzsysteme derzeit noch einen niedrigen Grad an Automatisierung vorzuweisen. Laut Lee gibt es in Kanada weder national noch auf Ebene der Provinzen eine gesetzliche Grundlage für die Teilnahme von vollautonomen Autos am Straßenverkehr. Auch in Bezug auf teilautonome Assistenzfunktionen fehlt ihrer Ansicht nach an gesetzlichen Richtlinien.

Die Anwältin sieht im Prozess gegen C. einen möglichen Präzedenzfall, der die Rechtssprechung und auch die Gesetzgebung in Bezug auf die Verantwortlichkeiten des Fahrers in zukünftigen, autonomen Autos, prägen könnte.

Bis zu fünf Jahre Haft möglich

Eine erste Anhörung hat bereits am 11. Dezember stattgefunden. Der nächste Termin ist für den 29. Jänner angesetzt. Für Verkehrsgefährdung ohne Personenschaden drohen ihm bis zu fünf Jahre Haft sowie eine Geldstrafe bis zu 2000 kanadischen Dollar. Zudem kann das Gericht ein Fahrverbot für bis zu zehn Jahre aussprechen. (red, 26.12.2020)