Landehauptmann Peter Kaiser sieht die Schuld für die erteilten Strafen beim Bund.

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In Kärnten haben mehrere Menschen Strafbescheide über 300 Euro erhalten, weil sie, nachdem sie an Covid-19 erkrankt waren, weiter mit ihren Lebensgefährten zusammengelebt haben. Das berichtet der Kärntner ORF. Der Rechtsanwalt Ulrich Salberg hält die Strafen für unrechtmäßig. Dass die Daten, die den Strafbescheiden zugrunde liegen, aus dem Contact-Tracing stammen, sei zudem verfassungswidrig. Salberg vertritt nun drei der Fälle.

In dem ORF-Bericht wird die Geschichte eines Paares aus der Gemeinde Gitschtal beschrieben, es soll aber mehrere Betroffene geben. Nachdem der Mann seine Covid-19-Infektion bekannt gegeben hatte, wurde seine Partnerin zum Contact-Tracing angerufen und gefragt, wann sie das letzte Mal Kontakt zu ihrem Partner gehabt hätte. "Sie hat gesagt, dadurch, dass wir zusammen leben, heute in der Früh", sagte der Betroffene gegenüber dem ORF. Daraufhin sei die Strafe ausgeschickt worden, wobei niemals jemand bei dem Paar gewesen sei, um zu kontrollieren, ob es die Auflagen einhält, so der Betroffene. Außerdem haben beide den Hauptwohnsitz in der Wohnung angemeldet.

Daten von Contact-Tracing weitergegeben

Rechtsanwalt Salberg vertritt drei solcher Fälle und legt Einspruch gegen die Verwaltungsstrafe ein. "Voraussetzung für jede Strafbarkeit ist ein rechtmäßiges Alternativverhalten. Ich muss die Möglichkeit haben, mich so zu verhalten, dass ich nicht strafbar bin. Das geht hier aber nicht, denn wo sollte denn die Lebensgefährtin hin? Er kann sie nicht aussperren, sie kann in kein Hotel, die sind geschlossen. Sie kann nicht zu Verwandten, das ist laut Corona-Maßnahmen verboten", sagte er dem ORF.

Abgesehen davon sei es aus seiner Sicht verfassungswidrig, Strafen basierend auf Daten oder Angaben aus dem Contact-Tracing zu verteilen. Das untergrabe das Recht von Beschuldigten, sich nicht selbst belasten zu müssen: "Und vor allem ist die Aussage beim Contact-Tracing nach dem Epidemiegesetz verpflichtend. Ich muss Auskunft geben. Das heißt, wenn ich die Daten aus dem Contact-Tracing für eine Strafverfügung verwende, wird dieses Recht umgangen. Aus dem Grund ist eine Verwendung der Daten des Contact-Tracings meines Erachtens eindeutig verfassungswidrig."

Ein Kärntner Behördenvertreter wies gegenüber dem ORF auf die Möglichkeit eines Einspruchs hin und erklärte, dass die Bezirkshauptmannschaften lediglich Bundesvorgaben umsetzen würden. Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) sieht die Verantwortung ebenfalls beim Bund. In einer Aussendung erklärte am Samstag sein "völliges Unverständnis" für die betreffenden gesetzlichen Bestimmungen. "Ich erwarte mir, dass die Bundesregierung die jetzt publik gewordene realitätsferne Regelung rasch beseitigt!" Bis es so weit sei, sollten derartige Strafbescheide ausgesetzt werden.

Bund weist Kritik zurück

Beim Bund kann man die Kritik Kaisers nicht nachvollziehen. In den Richtlinien zum Contact-Tracing sei klar geregelt: Wenn eine Absonderung im gemeinsamen Haushalt nicht möglich sei, sei die Quarantäne auf 14 Tage auszudehnen, heißt es aus dem Gesundheitsministerium. Die Kompetenz für das Contact-Tracing liege außerdem bei den Ländern. Dass solche Fälle bisher nur in Kärnten aufgetaucht seien, lasse außerdem vermuten, dass hier die Bezirksbehörden "etwas falsch interpretiert haben", sagt ein Sprecher. Im Übrigen liege die Entscheidung über Strafen ebenfalls bei den Bezirksbehörden.

Die Vorgaben des Bundes bezüglich Kontaktpersonennachverfolgung seien "eindeutig", teilte ein Ressortsprecher mit. "Es handelt sich dabei allerdings nur um Empfehlungen. Hier liegt die Kompetenz ganz klar bei den Ländern und den Bezirksverwaltungsbehörden. Diese entscheiden im Einzelfall und können hier – falls notwendig – auch zusätzliche Vorgaben tätigen."(red, 26.12.2020)